6737268-1966_26_11.jpg
Digital In Arbeit

Magischer Kristall der Zeiten

19451960198020002020

AGNES ALTKIRCHNER. Roman. Von Felix Braun. Mit einem Nachwort von Johannes von Guenther. Paui-Zsolnay-Verlag. Wien-Hamburg. Leinen. 731 Seiten. Preis 99 S. — DAS WELTLICHE KLOSTER. Erzahlungen. Von Felix Braun. Verlag A. Schendl. Wien. Leinen. 130 Seiten. Preis 98 S.

19451960198020002020

AGNES ALTKIRCHNER. Roman. Von Felix Braun. Mit einem Nachwort von Johannes von Guenther. Paui-Zsolnay-Verlag. Wien-Hamburg. Leinen. 731 Seiten. Preis 99 S. — DAS WELTLICHE KLOSTER. Erzahlungen. Von Felix Braun. Verlag A. Schendl. Wien. Leinen. 130 Seiten. Preis 98 S.

Werbung
Werbung
Werbung

Alle, die sich dem gehaltvollen Lebenswerk Felix Brauns verbunden fiihlen — es vermittelt ja in unserer von Kollektivismus und Technisie- rung gekennzeichneten Epoche un- zerstorbare Werte und bereitet da- durch den Weg zur Selbstbesinnung und Verinnerlichung —, freuen sich von Herzen, daB der Roman „Agnes Altkirchner" als Festausgabe zum 80. Geburtstag des groBen osterreichischen Dichters eine representative Neuauflage erlebt hat.

„Agnes Altkirchner" ist ein Epos, das alle Dimensionen des Erlebens und Erleidens in schicksalhafter Zeit erfaBt. Ein Drama, das uns durch Schilderung von Personen aus den verschiedenartigsten Milieus — seien es nun Studenten oder Offiziere, Reamte oder .Tonrnalisten. Kunstler.

Landser oder Dimen — einen faszi- nierenden Einblick in das soziale Geffige und kulturelle Leben von Wien und dariiber hinaus vom ganzen Donauraum gewahrt und dem Verhangnis freien Lauf lafit: Der letzten Glorie der Moniarchie macht der erste Weltkrieg ein Ende, der Vielvblkerstaat zerfallt.

In den sieben Jahren, von 1913 bis 1919, glitt Osterreich, wie Johannes von Guenther in seinem Nachwort ausfiihrt, zu tiefstem Elend ab. Sieben Jahre schuf der Dichter an diesem Werk, das wie ein magi- scher Kristall der Zeit schon in seinem modem gotischen Zahlenwerk eine uniiberhorbare Sprache spricht.

In sieben Bfichem zu je sieben Kapiteln werden wir Zeugen eines Hollensturzes. Entfesselte Damonen stiffen Verwirrung und Unheil, aber Engel nehmen sich der Leidenden, der Hungernden und Verlassenen an und bewahren ebenso die von Not Heimgesuchten wie das um vieles kleiner gewordene Osterreich, das Herzstfick Mitteleuropas, vor dem Versinken in grenzenlosem Chaos. Kleinmalerei, beseelte Schilderun- gen, volkstumlicher Humor, span- nungsgeladene Szenen und immer wieder ein Aufblick zu den Sternen — ein Aufblick zu Gott, der die Liebe ist. All das gleicht kostbaren Steinen und Steinchen, von der Mei- sterhand des Dichters zu einem Mo- saik zusammengefiigt, das Licht fiber die Tiefen der Finsternis ausstrahlt. Allein schon die Uberschrift eines jeden Kapitels ist symbolhaft, so unter anderen: „Der Engel der Armut“, „Die drei Lebensalter", „Rot-WeiB- Rot“, „Aschermittwoch“, und „Weih- nachten". Und in diesen Jahren der Heimsuchung reift dem Dichter die Erkenntnis: „Die Aufgabe des Menschen ist die Wahl zwischen dem Ich und dem Du, und es kann nicht zweifelhaft sein, welche zur Seligkeit fuhrt. Sie ist die Wahl zwischen dem Geist der Erstarrung und dem Geist des Opfers, zwischen dem Geist der Macht und dem Geist der Liebe.“

„Das weltliche Kloster", so lautet der Titel einer Sammlung von neun Erzahlungen Felix Brauns. Auch hier liegt es dem Dichter vor allern am Herzen, den Beziehiungen und Bindungen der Geschopfe zu ihrem Schopfer nachzuspuren. Diesseits und Jenseits sind Realitaten, und der Herr laBt einen Menschen auch in groBter Verzweiflung nicht im Stich. Es kommt nur darauf an, den Willen des Vaters zu erfiillen. In allem und jedem gilt es, das Wesentliche zu er- grtinden, das heiBt, Sein von Schein zu trennen. So leben und arbeiten in der Titelerzahlung „Das weltliche Kloster" Christen verschiedener Konfessionen mit Buddhisten und Angehorigen anderer Religions- bekenntnisse in briiderlicher Eintracht, weil sie einiander nicht nur mit Achtung, sondem auch im Geist der Liebe und Aufopferung begegnen. In anderen Erzahlungen berich- tet der Dichter von Traumerlebnis- sen, sie versinnbildlichen das in der Seele schlummemde Veriangen, Zu- gang zu jener Sphare zu flnden, die von der Herrlichkeit Gottes erfullt ist. In der Geschichte „Traum eines Dorfpfarrers" hort ein alter Priester folgende Worte aus dem Mund eines ihm Unbekannten: „Das Herz ist das hochste Saiteninstrument der Welt. Und was im Herzen gesungen wird, das, nur das gelangt zum Herzen des Vaters."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung