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Der lachende Philosoph

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„Des Dichters Lebensgeschichte sind seine Werke“ — das war das Bekenntnis des Salzburger Meisters Josef August Lux, der im Vorjahr kurz vor Vollendung seines 76. Lebensjahres von uns ging. Und wenn es je ein enges Verhältnis zwischen Leben und Werk gegeben hat, dann in diesem gesegneten Dasein, das über ein Halbjahrhundert des Schaffens sich erstreckte, das um die Jahrhundertwende mit ersten Leistungen anhob und dem eigentlich erst auf dem letzten, kurzen Schmerzenslager die Feder entsank. Schweigsame Jahre der Verfolgung hatten diesem Leben und Schaffen nichts anhaben können, eine ungebrochene Gestaltungsfreude hielt den Dichter und Denker am Werk, der für alle Kleinheit ein wissendes Lächeln hatte und einen tiefen Glauben an Gottes waltende Gerechtigkeit: „Der lachende Philosoph“ — so wollte Lux einen Band Sinngedichte nennen, der im Manuskript der posthumen Veröffentlichung wartet, wie übrigens vieles andere noch — ein lachender Philosoph war er selbst, da er um die Begrenztheit, die Gleichnishaftigkeit alles Irdischen wußte, weil all seine Dichtung „Kultur der , Seele“ sein sollte, also im Dienste eines Höheren geschah, eines Ideals, dem er sich früh verpflichtet hatte.

Der Dichter und Maler Josef August Lux wollte unprünglich Lehrer werden und ist dies, als ihm die Berufung zum Freischaffenden bewußt geworden war, im wesentlichen auch geblieben: „Man kann das Leben nur leben mit einer Idee, nicht mit den zufälligen Ideen einer Zeit, die nur für den Tag sorgt, für das kümmerliche Ich, sondern mit den großen Ideen, die darüber stehen und die Zeit ändern, sie und die Menschen zu bessern suchen“, so läßt er den jungen Goethe seinem Schüler Plessing gegenüber sich vernehmen, der Dichter als Lehrer war ihm höchste Berufung. Gott und Welt, Menschentum und Heimat, das waren die großen Themen denen das Lebenswerk des Meisters gewidmet war; nach langen Wanderungen durch die grofięn Städte des Kontinents, nach frühen Anfängen in München und Dresden kehrt Lux nach Österreich zurück, um hier, in Wien uiid Salzburg, die gegebenen Bezirke seines Wirkens zu finden. Dies Wirken umfaßt eine schier unerschöpfliche Vielseitigkeit, neben dem Bildungsroman steht .das Sinngedicht, neben den Wiener Elegien die „Welthistorische Trilogie“, neben den Meisterbiographien die Puppenspiele. Besonders in den Jahren erzwungenen Schweigens, das ja nur ein äußerliches Versagen war, hat der Meister neben zahlreichen neuen Entwürfen frühere Werke umgestaltet und ihnen die endgültige Form verliehen. So die Trilogie des Bildungsromans „Das Leben Anselmos“, der in seinen drei Teilen, „Anselm Gabesam", „Auf deutscher Straße" und „Der himmlische Harfner", ein mittelbares biographisches Bekenntnis ist und unter anderem in seiner Gegenüberstellung von flacher Massenproduktion zu handwerklicher Wertarbeit einen beachtsamen Beitrag zur modernen Soziologie Und Volkswirtschaft darstellt. — Die klarste Höhe schöpferischer Menschengestaltung erreicht aber Lux in seinen Meisterbiographien, dem „Grillparzer-Roman“, „Franz Schuberts Lebensbild“, „Beethovens unsterbliche Geliebte“, „Franz Liszt“, „Irdische und himmlische Liebe“, die unter dem Sammeltitel „Das romantische Jahrhundert“ sinnvoll zusammengefaßt sind. Sie'’fanden ihre spätere Fortsetzung und Vollendung in dem 1937 entstandenen „Goethe-Roman“; wohl nirgends finden wir die Begegnung zwischen Charlotte von Stein und Corona Schröder unmittelbarer gesehen und gestaltet als hier, so daß wir sein posthumes Erscheinen als Ostergabe dieses Jahres mit besonderer Freude begrüßen werden. Schon in diesen Mdsterromanen hat der Dichter aus dem unmittelbaren Erleben der Heimat geschaffen, für deren Wesen bereits nach dem ersten Weltkrieg zahlreiche Volks- und Heimatspiele warben, in denen der Glaube an die immanenten Werte des österreicher- tums besonders zu ergreifen vermag. Und ist es nicht wie ein Wissen um das Schicksal dieser Heimat in seiner ganzen Tiefe, wenn das Märchenspiel „Land des Glücks“ (1934) nun seine Wandlung gefunden hat in dem österreichbuch „Land, tragischen Glücks“, das wenige Monate nach des Meisters Heimgang erschien! — Gleichfalls" zu Ostern dieses Jahres wird die Apologie der österreichischen Literaturentwicklung in dem Werk „Tausend Jahre österreichischer Dichtung" im Klosterneuburger Bernina- Verlag eine Neuauflage erleben. Neben diesem Werk sollte sich auch die Neuherausgabe des „Goldenen Buches der vaterländischen Geschichte" ermöglichen lassen, dieses Bekenntnisbuches, das vor genau zehn Jahren vor dem Salzburger Dom öffentlich verbrannt wurde und dem Lux in besonderem Maße seine Verschickung nach Dachau zu verdanken hatte.

In seinem Drama „Das Fenster“ hatte Lux bereits 1920 „ein Spiel des Lebens“ geschaffen und das Spiel des Lebens hatte den „lachenden Philosophen“ immer wieder zu Gestaltungen gedrängt, dauernd lockt es ihn, „zu sehen, was die Welt im Innersten zusammenhält“. Die Seltsamkeiten des Lebens in ihrem bunten Farbenspiel üben einen besonderen Reiz auf den Dichter aus, der ja nicht umsonst auch Maler ist. So schafft er das eigenartige Puppenspiel „Jean Brioche“ („Die rote Messe“, 1920), eine Py malionhandlung, die im düsteren Zwielicht der Französischen Revolution steht. (Vielleicht, daß hier Erinnerungen an den berühmten Ahnen Adam Lux mitklingen, den Verteidiger Charlotte Cordays, der er dann selbst auf die Guillotine folgen mußte.) Und mit welcher Liebe haben wir den Meister noch zuletzt die sorgsamen Ausstattungen zu dem Puppenspiel „Don Quichotte“ verfolgen sehen, dessen Uraufführung zur 35-Jahr-Feier des Salzburger Marionettentheaters gerade zum Todestage Lux’ geschehen wird. — Aus den feinen Miniaturen dieser Lebenss izzen erhebt sich die Dichtung zu den letzten Grenzen der

Menschheit in der weltgeschichtlichen Serie, deren erster Band, „Der Messias“, eine Kultur- und Geistesgeschichte des Urchristentums darstellt, deren zweiter Band, „Julian“, sich mit 4er eigenartigen Gestalt dieses spätrömischen Kaisers auseinandersetzt, diesem dem Arianismus nahestehenden Neuplatoniker, der das sterbende Reich der, Cäsaren noch einmal in einem kühnen Alexander-Zug festigen will und dessen tiefste Tragik es wohl war, daß er ein allzuspät Geborener gewesen. Der dritte Band, „Das Reich der Dämonen“, ist Fragment geblieben.

Als wir am 7. April 1946 zur Feier des 75. Geburstages von Josef August Lux in festlichem Kreise um den Meister in seiner so anmutig gelegenen Anifer Villa versammelt waren, dachte wohl niemand, daß sich ein Jahr später bereits ein blühender Hügel über seinem Grabe wölben würde, am wenigsten wohl der lachende Philosoph selbst, den ein Altersgenosse damals als den „ewigen Jüngling" bezeichnet hatte. Nodi auf dem letzten, kurzen Krankenlager hatten ihn zahlreiche Pläne und Ideen beschäftigt und diese Pläne, diese Lebendigkeit des Geistes und Herzens, haben ihm wohl das Hinübergleiten iii die Ewigkeit so gnadenvoll leicht gemacht. Der für uns alle so überaus schnelle Heimgang hat sicher vieles unvollendet gelassen, doch hat nun seine Gattin, durch fast ein Halbjahrhundert des Meisters kongeniale Gefährtin, unmittelbar die Feder aufgenommen, wo sie dem Vollendeten entglitten. Selten hat eine Frau des Herzens tiefste Trauer zu solch aufrechtem Nachwirken geadelt, wie es hier geschieht, selten wurde ein Vermächtnis treuer verwaltet und wird sinnvoller weitergetragen. Wenn Ln dem einen Jahr nach des Meisters Tode allein vier Bücher erscheinen konnten, so ist dies, schon rein äußerlich gesehen, eine hohe Leistung und ganz im Sinne des Vollendeten, der sein Werk fortwirken wissen wollte über die Grenzen seines irdischen Daseins hinaus. Hier erfüllt sich im besonderen Maße das Wort der geheimen Offenbarung: Selig sind die Toten, die im Herrn sterben, denn ihre Werke folgen ihnen nach.“ Oder, wie es Josef August Lux einmal selbst in einer seiner feinsten Wiener Elegien ausgesprochen hat, man könnte diese Zeilen nun unmittelbar auf das eben angedeutete Wirken seiner Erbin (im besten Sinne des Wortes) anwenden:

„Ich singe die entrückte Seele (durch mein Tun), das fort ms Ewige tönt, und reiche über diesen Schutt der Zeit die goldene Kette ihrer Schönheit aus der Vergangenheit dem blauen Morgen einer besseren Zukunft dar."

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