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Nachkrieg

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Als der Regisseur Anatole Litvak auf einer Pressebegegnung bei den Wiener Dreharbeiten zu dem amerikanischen Film „Die Reise“ gefragt wurde, ob er nicht befürchte, durch die Verwendung der ernsten Ereignisse in Ungarn als Staffage einer Liebesromanze die Gefühle tausender Betroffener und Millionen Mitfühlender zu verletzen, tat er die Frage mit einer Souveränen Handbewegung ab. Und doch ist das Gefürchtete in vollem Umfange eingetroffen. „Die Reise“ ist ein überdurchschnittlich guter, glänzend gespielter, um Sachlichkeit bemühter, vom Vul- gär-Antirussismus freier, wie üblich auch von den Umwelt- und Geographieunbekümmertheiten Hollywoods belasteter Film; er erzählt von den zwei Seelen in der Brust eines russischen Majors, die in den kritischen Tagen um Begnadigung oder Vernichtung eines Freiheitskämpfers streiten — immer mit dem Blick auf dessen englische Freundin, deren fremdartige. Sįfipnheit und „ąpdere Welt" den russischen „Bären“ seltsam anziehen. Yui Brynner spielt dieses große Kind einfach hinreißend. Obwohl der Film also niemandem weh tun will, muß er doch hüben und drüben verletzen. „Storys“ wie diese sollen, den frischen Wunden und Gräbern zuliebe, eine Respektsdistanz weit tabu bleiben; wenn nicht, dürfte sich nur ein ganz ernstes und großes Filmvorhaben, ein moralisches, nicht kommerzielles, ein Künstlerherz, nicht ein „Handgelenk“ daranwagen. Das ist hier nicht geschehen. Darum, bei aller Achtung, unsere reservierte Position dazu: hier, gerade in Wien.

Es ist auch kein ganz gutes Gefühl für uns Totalausgebombte, in einem amerikanischen Film, „D e r Kommandeu r“, quasi die Gewissenserforschung un. vollkommene Reue des USA-Bombenkrieges mitanhören zu müssen. Es ist nur gut, daß sie der saubere, gekonnte Film halbwegs glaubhaft macht...

Ganz und gar glauben wir dem schlichten Schweizer Film „Die Angst vor der Gewalt“ den Schrecken jener vierundzwanzig Stunden, da unserem Nachbarland von Hitler ein „österreichisches Schicksal“ drohte. Ein unpathetischer, ehrlicher, in seiner unauftrumpfenden Art großer Film.

Ein posthumer Sacha-Guitry-Film, „Das Leben zu zweit“, an dem Epigonen stümperhaft herumflickten, ist moralisch ebenso untragbar wie der Lollobrigida-Film „W o der heiße Wind weh t“, in dem die Untugenden zweier Filmnationen einander potenzieren.

„Vater, Mutter und neun Kinder“ ist der einzige sozusagen fröhliche .Film der Woche. Man weiß bei deutschen Lustspielen nie so recht, ob sie die Familie tolpatschig verherrlichen oder plump verspotten wollen. Vieles spricht dafür, daß dieser Film das erstere beabsichtigt hat, weshalb ihm Gnade für Recht widerfahre.

F i 1 m s c h a u (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Oesterreich), Nummern 18 und 19 vom 2. und 9. Mai 1959: II (Für alle zulässig): „Im Schatten des Fudschijama“ , „Schrecken aller Spione" — III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Bei den letzten Kopfjägern von Neuguinea“ , „Einmal noch die Heimat sehen“, „Hart auf hart“, „Heimat", „Kriegsgericht“, „Nick Knattertons Abenteuer", „Paprika“ — IV (Für Erwachsene): „Chikago vertraulich", „Es war die große Liebe", „Safeknacker Nr. 1", „Die Reise“, „Der Seefalke“, „Vater, Mutter und neun Kinder" — V (Abzuraten): „Der Vampir von Notre-Dame“, „Das Leben zu zweit“.

bemerkenswerte Filme, empfehlenswerte Filme.

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