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Nicht nur Brot…

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Die Landwirtschaft hat Sorgen. Alle wissen davon, nicht alle kennen sie, und noch weniger zerbrechen sich den Kopf darüber. Heute soll aber einmal nicht von diesen Sorgen die Rede sein, sondern von dem nicht zu unterschätzenden geistigen Beitrag, dėti die M’ėfi- scWen de’f’ österreichischen Landwirtschaft für die Neuordnung des gesellschaftlichen Lebens der Gegenwart und damit auch für das Brot von morgen leisten. Es handelt sich hier um Werte, auf die man gerade angesichts der fortschreitenden wirtschaftlichen Integration Europas nicht wird verzichten können.

Da ist jenes Wertbündel, das man unter dem Stichwort Einfachheit zusammenfassen kann. Das Leben des ländlichen Menschen ist, von gegend- und konjunkturbedingten Auswüchsen, die auch hier nur die Regel bestätigen, abgesehen, weithin ein Leben der Einfachheit, Genügsamkeit, Natürlichkeit und Bescheidenheit. Das gilt für seine Kleidung, Wohnung und Ernährung, das gilt aber auch für die Ansprüche, die er an das Leben stellt: er macht weithin noch nicht mit beim allgemeinen Tanz um den Götzen Lebensstandard, auch dort nicht, wo er bewußt um seinen Anschluß an das 20. Jahrhundert kämpft. Haus, Hof, Familie, Heimat sind ihm noch nicht Schlagworte von gestern geworden, auch dort nicht, wo er sich angewidert von vielen, ihm hohl gewordenen „heiligsten Gütern" einer versinkenden Welt abwendet. Aber die „family of man", wie vor kurzem Friedrich Abendroth im „Forum“ schrieb, die Gesellschaft der aufeinander angewiesenen Menschen des Erdballs, für die Johanr nes XXIII. geschrieben hat, für sie bekommt auch er immer mehr Verständnis.

Für diese „family of man“ ist er aber auch bereit, Opfer zu bringen. Die tausende österreichischen Bauernsöhne und Bauerntöchter, die heute noch freiwillig gegen ein Taschengeld am elterlichen Hof arbeiten und ihr in Berufsschulen, in der Fremdlehre und in Fachschulen und Kammerkursen erworbenes Wissen daheim in die Praxis umsetzen, um ihren Betrieb nach modernen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu intensivieren und die Erträge steigern zu helfen, gehören ebenso hierher wie die wei chende Kleinbauerntochter aus dem Waldland, die heute in einem in ihre Heimatgemeinde verlegten Industriebetrieb arbeitet und von den 2000 S, die sie monatlich im Akkord verdient, 1500 S dem Vater zur Verbesserung dfer Wirtschaft zur Verfügung stellt und nur 500 S monatlich auf ein Sparbuch der Raiffeisenkasse legt. Was sie dafür gewonnen hat? Sie hat nicht in die Fremde müssen, sie hat sich ihr Daheim erhalten und arbeitet in ihrer Freizeit noch auf dem Hofe mit. Und es gehören hierher die vielen jungen Leute, die sich im Rahmen der Landjugendorganisationen an verschiedenen Wettbewerben beteiligen und durch die dadurch erworbenen Fähigkeiten nicht unwesentlich an der Leistungssteigerung der österreichischen Landwirtschaft mitwirken, von der im „Grünen Bericht“ zu lesen ist.

Beispiele…

Oder wenn der Heilige Vater in seinem Rundschreiben „Mater et magistrą“ von den der Landarbeit eigentümlichen sittlichen Seiten und Wer ten spricht, so der Fähigkeit, sich zurechzufinden, sich anzupassen, vom geduldigen Warten, vom Sinn für Verantwortung und vom unbeirrbaren U n t e r n.e h m u n g s g,e i sj — wieviel Beispiele ließen sich-hier aufzählen aus der ländlichen Welt von heute. Von jenem Jungbauern etwa, der jahrelang alle Lasten auf seinem Bergbauernhof hinauftragen mußte und von seinem harten Kampf um den Seilaufzug, den er sich, utn Kosten zu sparen, ganz allein errichtet hat, von der Überwindung all der Widerstände, die sich seinem Vorhaben bis zum Schluß entgegenstemmten — und der daneben doch noch Zeit fand, im Gemeinderat seines Dorfes, in der Raiffeisenkasse und als Obmann des heimatlichen Trachtenvereines und des Ortsbildungswerkes seinen Mann zu stellen; von einem anderen Jungbauern, dessen Tatkraft allein es gelungen ist, den Bau eines schönen Pfarrheimes zu ermöglichen, das nun auch einer Bibliothek und der Berufsschule ausreichende, schöne Räume bietet; oder von jener Bauerntochter, die nach dem Tod der verheirateten Schwester, unter Verzicht auf die eigenen Wünsche, den Schwager geheiratet hat, damit die beiden verwaisten Kinder eine gute Mutter haben; von jener 16jährigen Bauerntochter, die jahrelang die gelähmte Mutter pflegte und an elf minderjährigen Geschwistern Mutterstelle vertrat, bis sie selber an ein spätes eigenes Glück denken durfte — stille Helden des Alltags sie alle, ein paar nur für viele, jedem vertraut, der auf dem Lande lebt und wirkt, und doch so gern mit einem falschen Pauschalurteil abgetan von solchen, die nicht tiefer schauen.

Turmbau und Brotsorgen

Ein bekannter ländlicher Erzieher traf sich unlängst mit 19 ehemaligen Schülerinnen, die bei ihm vor elf Jahren einen Lehrgang besucht hatten und heute fast alle verheiratet sind. Als sie anläßlich ihres Treffens ihre Kinder zusammenzählten, kamen sie auf 39! Spiegelt sich in dieser Zahl allein nicht die gesunde Lebenskraft jenes Standes, der heute zu Unrecht immer noch im Schatten stehen muß? Glaubt die Welt wirklich, auf dieses Potential verzichten zu dürfen?

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