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Poesie in der Prosa

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Charlotte Herder. …schaut durch einfarbiges Glas auf die aschfarbene Welt. Kindheit und Jugend im alten Prag. Verlag Herder, Freiburg 1954. 284 Seiten, mit einem Titelbild, 16 Abbildungsseiten und einem Stammbaum.

Charlotte Herder ist die Tochter des Pädagogen Willmann, Witwe nach Hermann Herder, dem Schwiegervater Theophil Dorneichs ..Herder- Dorneich". In dem farbigen Glas, einer mit Bildung und Herzenskultur gesättigten Erinnerung, bricht sich in tausend Strahlen das Bild der goldenen Stadt und ihrer berühmten Zeitgänger, böhmischer. Tiroler und Salzburger Sommerfrischen, einer Handvoll Familienschicksale und des einstigen großen Oesterreichs. Reisen. Begegnungen, der Tod des Bruders, der damals ungewöhnliche Entschluß eines Mädchens aus gutem Hause. Krankenpflege zu lernen — das sind die sanft und wie beiläufig gesetzten Akzente einer mehr aus innerem Reichtum und Erleben schöpfenden, jederzeit geborgenen Jugend. Die großen Zeitereignisse, das Wetterleuchten kommender Umbrüche und Untergänge: die aschfarbene Welt bleibt am Rande. Nur ihr Herz schlägt, manchmal leiser, manchmal stür-mischet in diesem hochgemuten, verhaltenen, humorverklärten Erinnerungswerk, dem der Verlag eine berückende Ausstattung zuteil werden ließ.

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, Von Margarete Slezak. Mit 45 Zeichnungen von Franziska B i I e k. R. Pieper u. Co. Verlag, München 1953. 233 Seiten.

Mein Leben ist so bunt und reich, und ich danke Gott, daß ich auf der Welt bin. sagt die Autorin sehr schön im Schlußwort. Einiges davon konnte sie in ihrem Buch auch den Lesern ver-mitteln, vieles blieb sie schuldig. Margarete Slezak ist zu ängstlich bemüht, es dem berühmten Vater abzugucken. Hätte sie mehr sich selbst gegeben, läge der Apfel vielleicht noch näher beim Stamm.

Die sündigen Engel. Erzählung von Henry James. Uebertragen von Luise Laporte und Peter Gran. Biederstein-Verlag, München 1954. 206 Seiten. Preis 9.80 DM.

Dies geschieht auf einem düsteren, alten englischen Landsitz: Eine junge Erzieherin ringt um die Rettung zweier bildhübscher Kinder, deren Seelen von den Dämonen eines verstorbenen bösen Dienerpaares vergiftet sind. Eine richtige Ge.ster- geschichte also -— aber mit welchen Tiefblicken in die Schluchten des Bösen, mit welcher Meisterschaft der Sprache, die im atemra-ubenden Schluß eine atemraubende künstlerische Höhe erreicht. Ein in jeder Hinsicht ungewöhnliches Buch. Aber man sollte es nur an sonnenhellen Tagen lesen.

Der Kreis hat einen Anfang. Neue österreichische Erzählungen. Globus-Verlag, Wien. 370 Seiten.

In dieser Prosaauswahl kommunistischer Jugend mischt sich sehr Ungleiches an Rang und Stoffen. Neben großen Anläufen wie Otto Horns „D,er Kreis hat einen Anfang", Josef Tochs „Der Mantel", Franz Kains „Die Lawine" u. a. erscheinen Plattitüden wie Fred Wanders Reporter-Reportage und Rolf Rotmayers „Moderne Lesebuchgeschichte" mit ihrer antiquierten Phrase von der Klassenjustiz. Allgemein scheinen die Motive noch stark in Krieg und Nachkrieg verhaftet, was vielleicht zum Teil auch mit der verspäteten Edition des Buches zu erklären ist. Trotzdem: der Kreis hat nicht nur einen Anfang, sondern auch einen Fortgang! Es wäre nicht uninteressant, die stürmischen Probleme unserer, ganz unserer Tage auch von dieser Seite her, mindestens von ihren ernstzunehmenden Vertretern, angepackt zu sehen.

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