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Poesie in Prosa und Versen

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Die Biene Maja und ihre Abenteuer. Von Waldemar B o n s e 1 s. Jubiläumsausgabe: 1 Million. Einband Elsbeth Schneidler-Schwarz, Titelzeichnung und Vignetten Peter Schneidler. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart. 180 Seiten. Preis 4.80 DM.

Mit nachdenklich oder neidvoll gefurchter Stirne mag die heutige Autorengeneration von diesem ungewöhnlichen Jubiläum hören: das millionste Exemplar der „Biene Maja" nicht gerechnet die Uebersetzungen in 26 Sprachen und Ländern hat in diesen Tagen die Offizin verlassen. Das Buch ist 42, sein Dichter 73 Jahre alt. Zwei Generationen, jung und alt, Buben und Mädchen, Arbeiter und Gelehrte haben dieses schmale Büchlein gelesen, geliebt und — o Wunder! — sogar gekauft. Selbst das geachtetste Werk des Verfassers, die „Indienfahrt", mußte sich trotz zweimaliger Verfilmung ebenso wie das „Himmelsvolk" und die „Menschenwege" mit etwa der Hälfte dieser Millionenauflage „begnügen". Und das ist — post festum — irgendwie verständlich und nicht unverdient. Die „Biene Maja” ist von einer ungebrochen reinen poetischen Kraft, von einer klassischen Simplizität und Naivität im schönsten Sinne des Wortes, schlackenlos und noch nicht von jener verschwommen-schwärmerischen kirchenfeindlichen Vergrübeltheit angekränkelt, die ganze Teile von späteren Werken des Dichters so spinös macht. Möge sie also weitersummen und -brummen, die kleine Ausbrecherin, reumütige Heimkehrerin und Retterin des Stammes: die Biene Maja. Wahrhaftig, die Kinderlein hören es gerne.

Vom Glück des ländlichen Lebens. Von Josef Friedrich Perkoni g. Mit Holzschnitten von Switbert Lob iss er. Eduard Wancura Verlag, WienStuttgart. 156 Seiten. Preis 96 S.

Ein eigenartiges, bedeutendes Buch, das fast eine neue Gattung schafft: die „poetische Volkskunde", wie es genannt wurde. Wissenschaft und Dichtung, Erzählung und Legende, Schilderung und Essay verfließen ohne scharfe Grenze ineinander, und doch ist alles einem Ziel und einer poetischen Kraft zugeordnet — am deutlichsten vielleicht im letzten Kapitel, der „Berglegende", spürbar. Mit dem sicheren Gefühl und Takt des Bodenständigen und „Gewachsenen" sind heikle Dinge, etwa die enge, kaum immer scharf zu trennende Berührung von Glauben und Aberglauben im alpenländischen Empfinden und Brauchtum gemeistert, Die prallen, . satten, dann wieder von heiliger Nüchternheit und bäuerischer Tiefsinnigkeit erfüllten Holzschnitte Switbert Lobissers sind, ohne für das Werk selbst geschnitten worden zu sein, ebenso wie die gesamte Ausstattung des Buches dem Duktus der Dichtung ideal kongruent.

Anthologien. Zum zweiten Male hat das Kulturamt der Stadt Linz in anspruchsvoller Ausstattung und Satzanordnung unter dem Titel „Stillere Heimat" Donauverlag Wien-München, 294 Seiten einen Querschnitt durch das dichterische Schaffen des Bundeslandes Oberösterreich gegeben. Bedeutender noch als im vorigen Band ertönt das erstaunliche „volle Orchester" bewährter Reifer und hoffnungsvollen Nachwuchses, über deren Leben und Schaffen ein übersichtlicher Anhang Aufschluß gibt. Die Auswahl der Texte durch eine Jury und des prätentiösen graphischen Schmuckes auf Grund eines Wettbewerbes ist überzeugend. — Ein berufener Nach- und Neuschöpfer, Richard E u r i n- ger, hat unter dem Titel „Der kostbar Schrein — Mystische Weisheit in neuer Fassung — Ein Brevier" Verlag Otto Walter, Olten und Freiburg i. Br., 261 Seiten bekannte und zu Unrecht weniger bekannte Aeußerungen des religiösen Empfindens zweier Jahrtausende herausgegeben. Den Texten in Prosa folgt jeweils die freie, sprachschöne Nachdichtung. — Einen ungewöhnlichen Weg ging Georg Ger st er in „Trunken von Gedichten — Eine Anthologie geliebter deutscher Verse" Arche, Zürich, 221 Seiten. An „eminente Zeitgenossen" Dichter, Wissenschafter, Philosophen, Musiker erging die Frage nach etwa „drei ihnen besonders lieben und nahen Gedichten deutscher Sprache". Die Befragten gaben nicht nur die geliebten Verse, sondern auch die Motive. ihrer Liebe bekannt — wertvolle Hinweise auf den ständigen Fluß unseres dichterischen Erbes., Ist es nicht trostreich für diese Zeit, wenn mit weitem Abstand Goethe, Mörike und Hölderlin den Reigen anführen?

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