7111431-1995_50_23.jpg
Digital In Arbeit

Pro-Test der Psychologen

Werbung
Werbung
Werbung

Eine internationale „Pro-Test"-Bewegung der Psychologen erfaßt jetzt auch Österreich. Vor, nach - nur nicht während - einer Wahl wird gefragt, getestet: Alkoholiker auf Leber und Mineralwassertrinker auf Niere. Wer gegen und für wen koaliert und konkurriert, wer lügt, trügt und trotzdem in oppositionelle Begierungsfunktion will... all diese und ähnliche lebensnotwendige und (für die Psychologen) existenzsichernde Fragen werden von den hohen Damen- und Herrschaften der Seelen-künde beantwortet.

Aus Amerika kommend - und leider nirgends hingehend - hat auch uns die Testomanie ergriffen:

■ Ehepaare, die lieber leiden als streiten, sollten mit „Ja"- oder „Nein"-Antworten solch schicksalsschwere Fragen wie „Mit wem würden sie am liebsten den Himalaya besteigen?" und „Halten Sie die Witwenverbrennung für ein Mittel der Bioenergie-Gewinnung?" beantworten.

■ Angehende Politikerinnen und ausgehende Politiker sollten ihr Kreuzlein (das gilt auch für das Liberale Forum), bevor sie ihr Schäfchen ins Trockene bringen, hinter vielsagende Warmluftfragen machen.

■ Testpersonen, deren Lieblingsfiguren Steuerfahnder, Parkplatz-Polizisten und Zahnärzte sind, werden vor der Psychiatrierung als Dauergäste der psychologischen Pro-Testler eingestuft.

Die Pro-Test-Psychologen konnten dabei noch einige umwälzende Entdeckungen machen:

■ Die Pro-These ist genauso wenig der Körperersatz einer Gegenbehauptung wie das Pro-To-koll die Bejahung der diplomatischen Verhaltensweise ist.

■ Probante Probleme mit dem Proletariat haben nicht nur die Beste einer konsumgeschwächten Toskana-Fraktion einstiger Arbeiterparteiler, sondern auch die vielen Pro-Situierten, die sich bedeutend besser als die Vorhingenannten an den Zeit(un)geist anpassen und verkaufen können.

■ Pro-Klamierer einer neuen Zeit haben mit der alten ihre liebe Not und versuchen das Unerledigte hinter sich zu lassen. Das ist der Stoff, aus dem die Visionäre entstehen, die nur die Vergangenheit fürchten und die Gegenwart meiden.

Warum Protestanten nicht mehr protestieren, ist heutzutage genauso verständlich, wie die Tatsache, daß aus den „Grünen" schneller als die Jahrzehnte vergehen, eine biederbürgerliche Partei wird und ihre Protestbewegung nicht einmal als Alternativenergie ihre alte-kalte Linksideologie-Suppe aufwärmen vermag.

Irgendwie wird alles müde und rüde, und deshalb geht auch die Hun-degeburtenrate zurück. Wir sind übersättigt, es gehtuns zu gut, und immer mehr Populisten wollen uns einreden, daß wir bald hungrig und arm sein werden. Daraufhin wollen die Jungen aus- und die Alten absteigen und auch die Banken werden statt privatisiert von Ausländern - in den Parkanlagen - besetzt.

Die Moral der Geschichte, die genauso sinnlos ist wie die Geschichte der Moral, mündet oral: Wir schlucken alles, was uns Populisten links und rechts der Vernunft auftischen und begeilen uns an den Schrecknissen des eingenen Untergangs. Wer bereits alles erreicht hat, was er sich nur erträumen kann, sehnt sich nach nervenkitzelnden Alpträumen. Und all das, warum? Weil wir es verlernt haben, sinnvoll zu protestieren. „Pro-Test": Versuchen wir es, glücklich, zufrieden und vielleicht ein bißchen bescheiden zu sein. O. K.?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung