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Sender und Hörer

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Das ist freilich fatal, daß sich der gerade im Fasching so dringend benötigte Humor irgendwo in den unterschiedlichen Sackgassen unserer sorgenerfüllten Zeit verlaufen zu haben scheint. Wer ihn einfängt, ist gebeten, ihn gegen gute Belohnung bei der „Ravag“ abzugeben. Schon der kleinste 'Kaffeehauswitz kann jetzt dort allwöchentlich eines höheren Honorars würdig befunden werden als eine literarisch wertvolle Erzählung, und eine „Heitere Kurzszene“ vermag einem, .geschickten Spaßvogel zu dem Überzieher- zu verhelfen, nach dem sich manchen Dichters frierende Knochen schon lange vergeblich sehnen. Die Beteiligung an diesem fidelen Wettbewerb soll denn auch dem Vernehmen nach eine außerordentliche sein, und so steht zu hoffen, daß es der Ravag gelingen wird, sich etwa gar schon für den kommenden Fasching mit einem gehörigen Vorrat an Heiterkeit einzudecken, zumal ja doch kein rechter Verlaß ist auf ihre ständigen Hausdichter, von denen sie sich zu allen jahreszeitlich bedingten Anlässen zwar prompt, doch nicht immer befriedigend mit der jeweils benötigten „Produktion“ beliefern läßt. So schlimm aber dürfte solches Versagen eben jetzt im Fasching denn doch wieder nicht gewesen sein, daß sich unsere Radiobühne gezwungen gesehen hätte, die „Löwinger-Bauernbühne“ mit ihrem „S e p p 1 muß heiraten“ um Aushilfe zu bitten, einem „lustigen Volksstück“, das dem Begriff des Volksstückes ebenso Hohn spricht wie der Würde unseres Bauernstandes, und dessen Albernheit nicht einmal an jenen äußersten Grenzen des Geschmacks haltmacht, die man dem Fasching zuliebe zubilligt. Wieder einmal schrieb sich hier der Autor die obligate

Rolle des Dorftrottels auf den eigenen Leib und erwies sich auch im Rundfunk als ihr vorzüglicher Interpret. Als Kuriosum sei festgehalten, daß die Radiobühne dieser Sendung in der Ansage mit besonderer Betonung „Humor und Herz“ vorausrühmen ließ.

Sonderbare Vorstellungen von den geeigneten Mitteln, durch den Rundfunk, richtige Faschingsstimmung zu verbreiten, verriet auch Carl Benrs in 17 Telephongesprächen ablaufender Schwank „Zwei Bund Schlüssel“. Der eine Bund kommt dem verreisten Gatten, der andere der daheimgebliebenen Gattin abhanden, beiderseits verübte Ehebrüche verratend, doch verhütet diese überaus listige Wienerin den drohenden Krach, noch dazu lediglich durch das Telephon. — Ungleich sauberer und liebenswürdiger, freilich auch nicht übermäßig lustig geht es in der „Scheidungskomödie“ von Herma Martus' „Frau Stasi und die Ehe“ zu. — Nett und ansprechend läßt sich eine neue Sendereihe kleiner Hörspiele an, deren jedes eine entschwindende oder bereits entschwundene Wiener Volkstype zum Mittelpunkt wählt, den Dienstmann, den Harfenisten, das Wäschermädl; ein glücklicher Einfall, der sich noch lange auswerten läßt, ohne den Hörer je zu ermüden.

Minder ängstlich als die Wiener Radiobühne wichen Während des Faschings andere österreichische Sender dem ernsten Hörspiel aus, sondern manche machten uns mehrfach auch in diesen Wochen mit neuen funkgemäßen Bühnendichtungen sehr bemerkenswerten Ranges bekannt. So war aus dem Studio Klagenfurt das dörfliche Hörspiel „Die Brotanna“ von G. J. Poitschek zu vernehmen, die Schilderung eines herzbewegenden Schicksals, wenn auch von bescheidener dramatischer Substanz. — Gleichfalls aus dem Studio Klagenfurt war die überaus gelungene Sendung „Telemark“ von Karl Lackner zu danken, die, als heimatlicher Gruß für die österreichischen Teilnehmer an den weißen Wettkämpfen in Amerika gedacht, an der Hand einer durch drei Generationen fortgesponnenen Familiengeschichte an die Entwicklungsstufen des Skilaufs während all dieser Jahrzehnte erinnert. — Mit tiefer Symbolik vereinigt das aus dem Studio Salzburg gesendete chinesische Legendenspiel „Der Pfau“ von Friedrich Feld eine wahrlich nicht alltägliche Kraft und Schönhek der Sprache. Während die blutige Tyrannis eines vom Wahn seiner Gottähnlichkeit geblendeten Kaisers zerbricht, behauptet sich inmitten des allgemeinen Zusammenbruchs die reine Menschlichkeit eines in Ungnade und tiefstes Elend gestürzten Mandarins. Welche Freude, auf der Hörbühne wieder einmal die Stimme eines neuen Dichters zu vernehmen!

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