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Statt einer Rezension

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„Aber die Mode ist erbarmungslos. Sie hindert das Bleibende zu erkennen.“ (Renoir.)

Lieber Helmut Scharf!

Nun ist er erschienen, der Band mit Ihren neuen Gedichten, der „Saumpfad“. Immer wieder gab es Verzögerungen, die Ihrer Geduld viel zumuteten, aber dafür wurde ein vielgeplagter Graphiker gewonnen, dessen Qualitäten unvergleichlich sind: Prof. Kurt Schwarz.

Auf Ihren Gedichtband hinzuweisen und Ihnen endlich einmal mit allem Nachdruck zu danken, ist mir Herzensbedürfnis. Ich maße mir kein Vachrichteramt an, das man nur zu gern und zu oft mit dem ominösen Scharfrichteramt des Erledigens vertauscht, Freundesnähe und Für-Voreingenommenheit vermögen mich dennoch nicht zu blenden. „Das rechte Maß zu redlichem Bericht“, das Gleichnis Ihres „Heuträgers“, das ah Symbol Ihrer selbst steht, gewinnt in unserer Zeit, die leichtfertig Freiheit mit Anarchie, Kühnheit mit Schamlosigkeit und Kenntnis mit Snobismus verwechselt, dieses Ihr redliches Bemühen geiv/wif in diesem Augenblick besonderen Stellenwert.

Die Disziplin der Sprache zu wahren, Sinn und Syntax nicht dem Hautgout der Mode zu opfern, ist Ihnen als Pflicht eingebrannt wie nur wem, aber jegliches Mittel bleibt Mittel, den Menschen zu erreichen, ihn brüderlich anzusprechen. Sie sind kein Viel- und kein Leichtschreiber und haben es schwer genug, mit Beruf und Familie den Tag zu bestehen. Aber eben dies macht Ihren schmalen Gedichtband gewichtig, und man verkenne nicht, daß er die in der Mitte eines Mannes-lebens gezogene Summe enthält.

Was ich, der Maler, Ihnen persönlichunpersönlich zu danken habe, sprengt den Fassungsraum dieser Zeilen. Meine Arbeit, der etliche Ihrer neuen Gedichte gewidmet sind, vermögen Sie mit unerhörter Aufmerksamkeit anzuschauen, dabei bleiben diese Gedichte — auch sie und gerade sie — eigenwüc/isig, autochthon, und immer muß ich bestaunen, in welcher Weise Bildgestalt in Wortgestalt unigesetzt ist, fernab jeder Literarisierung. Wollte ich die Bildkraft, die sehr genau durchgehaltene und nie pathetisch überzeichnete, der Verszeilcu charakterisieren, so müßte ich fast alle hersetzen.

Da empfiehlt es sich dann, das Bändchen in die Hand zu nehmen und zu lesen. Der „Saumpfad“ wird nie eine Autobahn werden, aber er möge überdauern wie der Duft des Hollers, wie das Arom Ihres „Abgesangs“. Er wird überdauern.

In treuer Verbundenheit grüßt Sie, lieber Helmut Scharf,

Ihr Werner Berg

SAUMPFAD. Neue Gedichte. Von Helmut Scharf. Österreichische Verlagsanstalt, Wien, 3963. 58 Seiten. Preis 46 S.

FORT GEHT'S WIE AUF SAMT. Von Heinz Risse. Albert Langen-Georg Müller-Verlag, München, 1962. 335 Seiten. Preis 15.80 DM.

„Erzählungen und Gespräche“ nennt der 1898 in Düsseldorf geborene deutsche Schriftsteller seinen jüngsten Band. Risse hat bis dahin eine stattliche Publikationsreihe geschaffen: meist Erzählungen („Fledermäuse“, „Buchhalter Gottes“) und Romane („Wenn die Erde bebt“, „Einer zuviel“), aber auch einiges an Essays (..Das letzte Kapitel der Welt“, „Gestein der Weisen“). Gespräche und dergleichen. Der vorliegende Band ist zwar eine Neuerscheinung, doch keinesfalls in seiner Gesamtheit: sowohl die „Schlangen in Genf“ (Herrschaft Calvins) als auch „Die Insel der Seligen“ sind bereits in früheren Jahren erschienen.

Risse rechnet sich nicht zu den hauptberuflichen Schriftstellern, nicht zu den Professionellen der modernen Literatur. Er schreibt seine 6pannungsreich und motivgeschickt exponierten Oeuvres gewissermaßen „nebenbei“ — also auch kein Wunder, daß ihm der ganz große Wurf trotz aller zusätzlichen Mühen und Bemühungen dann doch nicht gelingt.

Risse ist durchaus kein billiger Unter-haltungsschriftsteller. Er kann schreiben, er will schreiben — muß er aber auch schreiben? Äußerlich gesehen, wohl kaum (denn seine Tätigkeit in der Wirtschaft [Alfred-Weber-Schüler] würde ihm auch anderweitig bestimmt seine Existenz sichern!); tief innen aber vermag man's auch auf Grund des jüngsten vorliegenden Bandes nicht recht beurteilen: immerhin scheint ihm bei allem Planen und Manövrieren guter und geistreicher Art die ganz hohe künstlerische Geschlossenheit zu fehlen (nicht aber abhanden gekommen zu sein, denn sie war nie ganz da und hat eines seiner Werke nie unbedingt getragen).

Man nimmt dennoch diesen Band und ist dem Autor dankbar, zumal es heutzutage mehr denn je an ordentlich-verständlichen Erzählern und erst recht an einigermaßen geistreichen Essayisten fehlt.

Gewisser Reprisen willen sei der Inhalt des Bandes hier wiedergegeben: Fort geht' wie auf Samt / Simson und die kleinen Leute / Schlangen in Genf / Wuchernde Lianen / Die Stadt ohne Wurzeln / Die Grille / Die Insel der Seligen / Über das Melancholische in der Kunst.

Dr. Helmut Bender, Freiburg i. Br.

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