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Trostlosester Orient

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So konnte auch der Sonderkorrespondent der Moskauer „Neue Zeit“, Juri Botschkarjow, von Addis Abeba nach Asmara und von dort mit einer Maschine der äthiopischen Luftfahrtsgesellschaft nach dem jemenitischen Hodeida fliegen.

Hodeida ist noch heute eine der größten Städte Jemens. Als Botschkarjow ankam, wohnte in der ganzen Stadt nur ein einziger Russe, ein sowjetischer Arzt, Dr. Arschawa, mit seiner Frau.

Hodeida ist keine schöne Stadt, sie ist die typische Vertreterin der sandigen Landschaft, eine unwirtliche, staubige, stickige Stadt ohne ein einziges schönes Gebäude, ohne Straßenpflaster und Bürgersteige. Die wenigen, gedrängt stehenden Steinhäuser im Zentrum sind direkt auf Sand gebaut und schienen jeden Augenblick einzustürzen. Es sind größtenteils alte, trostlos wirkende ein- und zweistöckige Bauten.

Das Bild der Stadt hat sich seit den Besuch des ungebetenen Gastes kaum verändert. Nur die baulich besseren Häuser der Stadt haben ihre Mieter gewechselt. Die Armen von Hodeida leben an den Stadträndern in elenden Lehmhütten oder in Buden aus Bretter- und Blechstük-ken. Die Bewohner dieser Elendsvierteln besitzen noch heute so gut wie nichts. In den engen, verödeten Gäßchen trifft man hin und wieder ein Kamel mit einem alten Führer, der wie ein Prophet aussieht, oder Esel mit Blechkannen voller Trinkwasser, das mit Lederschläuchen aus einem tiefen Brunnen geschöpft wird.

Die belebteste Gegend Hodeidas ist der Hafen, der eigentlich gar keiner ist. Man hatte am Ufer einfach ein Stück Gelände eingezäunt, wo die importierten oder für den Export bestimmten Güter gestappelt werden. Erst in letzter Zeit, als die jemenitische Republik Waffen, viel Waffen benötigt, wird auch der Hafen von Hodeida ausgebaut, um den ägyptischen Schiffen die Löschung ihrer Ware zu ermöglichen.

Knapp vor dem von Moskau als „revolutionäres Ereignis“ gefeierten Militärputsch, verließ Imam Ahmad seine unruhig gewordene Residenz in Sana und übersiedelte mit dem ganzen Hofstaat nach Tais. Tais ist für jemenitische Begriffe eine Großstadt, mit rund 30.000 Einwohnern.

Die neue „revolutionäre“ Regierung zog nach Sana zurück, um auch mit dem formalen Erbe des Imam zu brechen. Die ausländischen Missionen beeilen sich aber nicht mit dem Umzug. Offenbar legen sie Wert auf das gesegnete Klima von Tais. Die Stadt ist 1200 Meter hoch gelegen, und dort ist es sogar im Sommer kühl, besonders abends.

Da aber auch die neuen politischen Machthaber, ähnlich den verwöhnten Diplomaten, das angenehme Klima von Tais zu schätzen wissen, befindet sich heute noch das Hauptquartier des „Allgemeinen Gewerkschaftsverbandes der Jemenitischen Arabischen Republik“ in einem der konfiszierten Prunkpaläste des Imam in Tais.

Die Gewerkschaften entstanden nach der „Revolution“ zunächst als Ortsgruppen, die sich dann zu einem allgemeinen Gewerkschaftsverband zusammenschlössen. Vorläufig gibt es im Jemen noch wenige organisierte Arbeiter. In Tais 2000, in ganz Jemen 5000, vor allem Bauarbeiter. Da die halbillegale, unorganisierte KP Jemens die Gewerkschaften zu unterwandern versuchte, hält die Regierung eine strenge Kontrolle über die Tätigkeit der Gewerkschaften aufrecht. Es ist ihnen jede politische Tätigkeit strengstens untersagt. Deshalb richtet sich das Hauptaugenmerk der Gewerkschaften auf eine generelle kulturelle „Horizonterweiterung“ der jemenitischen Arbeiter. Einige moskauhörige Gewerkschaftsfunktionäre lassen Bücher und Schulungsmaterial, selbstverständlich in Arabisch, aus Moskau importieren.

Die sowjetisch-kommunistische Infiltration im heutigen Jemen vollzieht sich vor allem auf wirtschaftlicher Ebene. So bauen russische Techniker und Facharbeiter das jemenitische Seetor Hodeida aus. Der mit technischer Hilfe der Sowjetunion geschaffene moderne Hafen wird zu einem der größten am Roten Meer. Er kann dann ohne weiteres von Hochseeschiffen angelaufen werden.

Die Nationalität der Schiffe ist schon jetzt eindeutig gekennzeichnet: russische und ägyptische: sie bringen die Wolga-Lkws, Erdöl, Zement und Bauholz.

Die Hafenstadt soll auch zu einem Industriezentrum ausgebaut werden. Neben Baugesellschaften wurde dort eine Erdölgesellschaft gegründet. In Kürze beginnt der Bau einer Fischkonservenfabrik und eines Zementwerkes. Auch eine wichtige Verkehrslinie zwischen Hodeida und Tais ist in Arbeit.

Der Krieg zwischen dem rechtmäßigen Imam und den militärischen Putschisten ist noch lange nicht zu Ende, selbst wenn die Vereinigten Staaten, vielleicht etwas voreilig,dem neuen Machthaber Jemens diplomatische Unterstützung gaben. Die ägyptischen Waffen und Ausbildungsoffiziere sind kaum mehr in der Lage, dem immer größer werdenden Widerstand und der Partisanentätigkeit der imamtreuen Verbände standzuhalten.

Durch fortlaufende Kontaktgespräche mit dem Imam versucht die Regierung Sallal die militärische und politische Entscheidung im Jemen zu verzögern. Sie hofft, daß die Zeit und Ägypten für sie arbeitet.

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