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Ungarisches Stück — Prager Theater

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Der Komitatshauptmpnp und Reichstagsabgeordnete Jmre Madach schrieb 1860 die dramatische Dichtung „Die Tragödie des Menschen“, ein Werk des ungarischen Schrifttums, das der Weltliteratur zugezählt wird. Es wurde erst 19 Jahre nach seinem Tod — er starb einundvier-zigjährig — 1883 in Budapest uraufgeführt. Die erste Inszenierung in Wien fand 1903 im Kaiser-Jubi-läums-Stadttheater, eine weitere 1934 im Burgthea ter statt. Nun brachten es die Wiener Festwochen als Gastspiel des Burgtheaters im Theater an der Wien heraus.

Adam, von Luzifer geführt, sieht Im Traum das Schicksal der Menschheit bis in ihre fernsten Tage, wobei er sich in Gestalten verwandelt, die in Kulminationszeiten der Geschichte auftreten. Aus Schuldverstrickungen ringt er sich zu altruistischem, zu religiösem Verhalten durch, Madach stellt ihn einem Menschengeschlecht gegenüber, das ausschließlich dem Bösen verhaftet ist. Als aber die Fortschrittsideale durch Errichtung eines Phalanstere zur Verwirklichung gelangen, eines Gemeinwesens im Sinn des Sozialisten Fourier, in dem es keinen Mangel gibt in dem das Eigentum abgeschafft ist, die Maschinen die Arbeit verrichten, in dem die Familienbande gelöst sind, graut Adam vor einer Entindividualisierung, die — was die Aufführung nicht zeigt — Plato, Luther, Michelangelo niedrigste Arbeit verrichten läßt:

Adam begibt sich schließlich — wie ein Astronaut von heute — in den Weltraum. Mag er sich da auch nach der Erde zurücksehnen, so bietet dieses Bühnenwerk doch einen penetranten Pessimismus, ganz im Sinn Schopenhauers, wonach „unser ganzes Dasein etwas ist, das besser nicht wäre“. Aber dieser Pessimismus wirkt doktrinär, erweist sich in den vorgeführten Exempeln als lehr-huchartig, das Dialektische herrscht vor, in den jeweiligen jähen Wandlungen des Traum-Adam spürt man den didaktischen Zweck, so kommt Madachs Weltschau an die Dimension des „Faust“, mit dem sie wegen mancher Berührungen immer wieder verglichen wurde, nicht heran. Nach den protuberanzartigen Pessimismen bleibt vollends die Umkehrung am Schluß mit den Worten des Herrn „Kämpfe und vertraue!“ ohne Kraft, sie wirkt angeklebt.

Den Text verkürzte Rudolf Henz etwa auf die Hälfte, auf eine Spieldauer von annähernd drei Stunden,wodurch er bühnenwirksamer wurde. Die entscheidenden Akzente im Geschehen, im Gedanklichen sind herausgehoben, die Dialoge haben an Unmittelbarkeit gewonnen. Diese Nachdichtung ist fast eine Neudichtung. Die Bühnenwirksamkeit versucht Ulrich Erfurth als Regisseur leider mit showartigen Effekten zu erhöhen, er füllt so manche Szene mit Gesang und Tanz auf. Die Musik von Peter Jarnsens hat, dem Stück unangemessen, Musicalcharakter, als ob es sich um Unterhaltungstheater handle. Durch eine riesenhafte Kreisscheibe mit wechselnden Projektionen erzielt das Bühnenbild von Lois Egg die Assoziation „Erde“. Als vorzügliche Sprecher erweisen sich bei andeutender Figurengestaltüng — mehr ermöglichen auch die Hauptrollen nicht — Sebastian Fischer als Adam, Sonja Sutter als Eva, Alexander Trojan als Luzifer.

Im Theater an der Wien brachte ein Gastspiel des vor zwei Jahren gegründeten Prager Theaters vor dem Tor die Inszenierungen zweier Bühnenwerke durch den Regisseur Otomar Krejca, vormaligen Schauspielchef des Prager Nationaltheaters. Das Spiel ohne Worte „Die Masken von Ostende“ des Belgiers Michel de Ghelderode, in dem ein betrunkener Matrose in den Mummenschanz des Karnevals gerät, hat trotz Tod und Teufel als Masken nicht die tiefere Bedeutung seiner sonstigen Stücke. In der Aufführung sind statt Pantomimen Schauspieler eingesetzt, was einen optimalen Eindruck verhindert. Die wirkungsvollen gespenstigen Masken von Jan Koblasa wurden merkbar in ihren Formen von den Bildern des Ostenders James Ensor übernommen.

Das Sprechstück ..Die Katze auf dem Gleis“ des 32jährigen tschechischen Dramatikers Josef Topol, der als starkes Talent gilt, führt ein junges Paar in der Station einer Lokalbahn vor, das auf den Nachtzug wartet. Ihr durchaus lebendiger Dialog bietet aber nur belangloses Geplänkel. Drei Nebengestalten sind ohne Bedeutung. Der Erfolg dieses reichlich ermüdenden Stückes in Prag ergibt sich vermutlich durch den krassen Gegensatz zum sozialistischen Realismus. Die Bewegungsregie von Krejca in der Führung der Figuren war allerdings in ihrem Einfallsredchtum sehenswert.

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