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Visitkarte unter dem Tannenbaum

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Es will also doch wieder Weihnachten werden. Nicht nur bei uns. Selbst im Herrschaftsbereich des Kommunismus ist „Väterchen Frost“ seit einigen Jahren bereits wieder auf dem Rückzug.

Aus einem Bericht der deutschen Wochenschrift „Die Zeit“ erfahren wir sogar, daß in diesem Jahr selbst in Herrn Ulbrichts Herrschaftsbereich erstmalig wieder die längere Zeit verpönt gewesenen christlichen Advents-und Weihnachtsbräuche toleriert werden.

Zur selben Zeit, als wir diese Nachricht lasen, kam uns auch wieder einmal die „Bundesturnzeitung“ in die Hände. In der Dezembernummer dieses Organes des österreichischen Turnerbundes fanden wir auch Gedanken zu den bevorstehenden Festtagen, und zwar wird hier zwischen Jul- und Weihnachtsfeier genau unterschieden.

„... Die Julfeier ist ein Fest des Glaubens an unser Volk und die schöpferische Welt seines Geistes, die. beide gottgewtdlt sind uh& 4witeHZ& wir ein ewiges Leben leben. £s.ist. ein Fest bedingungslosen Glaubens an unser Volk in Österreich und an seine verpflichtenden Aufgaben zur Erhaltung seiner Art, seines Wesens und seines Bekenntnisses zu allem Großen und Schönen in dieser Welt. Die Julfeier ist ein Treuebekenntnis an das deutsche Gewissen, das uns Gott gab, damit wir uns rein erhalten und unsere Aufgabe nicht aus den Augen lassen, um unsere höchsten Güter — die Ehre und die Freiheit — zu hüten und zu bewahren.

Ja, so ähnlich haben wir uns schon immer vorgestellt, was unsere „Völkischen“ im Dezember bewegt. Aber sie haben ja auch Gedanken über das hohe Weihnachtsfest. Wollen wir nicht vorschnell urteilen und verurteilen. „Die Weihnachtsfeier trägt ein anderes Gepräge.“ Sehr richtig. Also doch gut, daß wir mit unserer Meinung zugewartet haben. Vielleicht ist in diesem Lager doch auch seit dem Ablauf der unseligen tausend Jahre die Einsicht gewachsen und hat tieferen Erkenntnissen Platz gemacht. Hören wir also weiter:

„ ... Wohl nirgends in der Welt wird dieses schönste und innigste Fest des Winters so tief und freudig begangen wie in unserem Volke ... Der tragenden Gemeinschaft von Familie und Sippe werden wir uns recht bewußt, wenn sich in der Weihnacht die Familie unter dem brennenden Lichterbaum zusammenfindet. Kein Fest ist so sehr wie das Weihnachtsfest das Fest aller deutschen Familien in unse-rens .Vaterlande,, Da zieht es jeden zur. Quelle seines eigenen Lehens hin, und als Sinnbild ewigen Lebens gibt der lichterfunkelnde Tannenbaum diesem Feste seinen Glanz und seine Weihe. Aus den Tiefen unseres Volksgemütes wuchs er empor zum Sinnbild der Weihnacht; einst als Welten- und Lebensbaum im germanischen Mythos als Quelle des Lebens angesehen. Yggdrasil, die Weltesche... So erneuert sich im Lichterbaum das Bekenntnis zur Kraft unseres Blutes, und es ist weiter nicht wunderlich, daß gerade beim Weihmchtsfest die Kinder im Mittelpunkt stehen ... Der Dienst Jra Volke, unsere eigene Arbeit für Familie und Sippe und damit für die Zukunft unseres Volkes, wird uns so zum wahren Gottesdienst.“

Aus. Ende. Das Kunststück ist gelungen, auch über Weihnachten zu schreiben, ohne allein nur die historische Tatsache der Geburt Christi, dessen Ankunft der Stern auch den Heilen anzeigte, mit einem Wort zu erwähnen. Habt Dank für diese Visitearte: ihr, die ihr euch gerne als einzig zuverlässige „Retter des christlichen Abendlandes“ empfehlt.

Was aber wollen wir tun? Wir halten es noch immer mit den Hirten: „Wir wollen hinübergehen nach Bethlehem und sehen, was da geschehen ist und der Herr uns kundgetan hat!“ (Luk. 2)

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