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Wie ich Komponist wurde

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Im 7. Orchesterkonzert des Internationalen Musikfestes am lt. Juni werden vier Episoden aus Einums Opus 1, dem Ballett „Prinzessin Turandot , erstaufgeführt.

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Im 7. Orchesterkonzert des Internationalen Musikfestes am lt. Juni werden vier Episoden aus Einums Opus 1, dem Ballett „Prinzessin Turandot , erstaufgeführt.

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Ich wurde am 24. Jänner 191$ als zweiter Sohn des damaligen österreichischen Militärattaches und nachmaligen Generals William von Einem in Bern geboren. In frühen Jahren übersiedelte ich mit meinen Eltern nach Malente-Gremsmühlen in Holstein. Dort ging ich in die Grundschule und besuchte später das Plöner Gymnasium. In dieser Zeit schrieb ich meine erste Symphonie. Sie entstand folgendermaßen: Zu meinem siebenten Geburtstag wünschte ich mir die Partitur von Beethovens 9. Symphonie. Von diesem Wolkenkratzer-Notenbild mit seinen geheimnisvollen Clarinetti, Corni usw. war ich so beeindruckt, daß ich beschloß, ein gleiches zu tun. Notenpapier war schnell gekauft, und voller Stolz malte ich die Seiten voll, und zwar in der Weise, daß im ersten Takt alle Noten auf den Linien und im zweiten zwischen den Linien placiert wurden. Wie der Hörer merkt, war ich damals schon für formalistische Künste. Der nächste Schritt zur Vollkommenheit bestand darin, daß ich aus der Damm-Klavierschule ein Stück nahm und die linke Hand modernisierte, ohne durch theoretische Kenntnisse irgendwie behindert zu sein. Da ich nicht selbst den Mut hatte, dieses Opus meinem Klavierlehrer vorzulegen, versteckte ich mich hinter dem Ofen und ließ meinen jüngeren Bruder dem Klavierlehrer dieses Machwerk übergeben, mit der Bitte, es am Klavier zu exekutieren. Ich war sehr aufgeregt und neugierig auf den Effekt. Das war das erste Lampenfieber. Ich widmete das Stück kurz entschlossen einem meiner Kollegen, und zwar keinem geringeren als Johann Sebastian Bach. — Da wir gerade bei Bach sind: ich hörte in der Zeit zum ersten Male ein Konzert — und zwar die Matthäus-Passion mit Erb unter Pabst in Hamburg. Ich war so beeindruckt, daß ich beschloß, fortan nur noch abendfüllende Oratorien zu schreiben.

Mit 14 Jahren kam ich zum ersten Mal nach Salzburg zu den Festspielen und war von da an ihr regelmäßiger Besucher. Bei dieser Gelegenheit lernte ich Toscanini, Reinhardt, Bruno Walter, Weingartner usw. kennen, die auf mich einen unvergeßlichen Eindruck machten und in mir den Wunsch verstärkten, Musiker zu werden. Ich besuchte darauf auch die Bayreuther Festspiele, wo ich zum ersten Male die Bühne betreten durfte. Von damals datiert mein intimer Kontakt mit der Familie des Bayreuther Meisters. Nach der Beendigung der Schulzeit und einigen Studien in England trat ich als Korrepetitor-Kapellmeister in die Berliner Staatsoper ein und war im selben Sommer auch schon musikalischer Assistent in Bayreuth. In Bayreuth lernte ich die Theaterpraxis mit all ihren Tücken des Objekts kennen. Ich erinnere mich noch an die Eröffnungsvorstellung des Jahres 1939, den „Parsifal“: durch technisches Mißgeschick war statt der vorgeschriebenen Verwandlung vom Wald zur Burg, im 1. Akt, nur weiße Leinwand zu sehen. Im 2. Akt, wo in einer Szene der Speer, den Klingsor auf Parsifal schleudert, in der Luft schweben bleiben muß, riß die Schnur, an der er lief, und der Speer fiel zu Boden. Im 3. Akt, gerade bei der Stelle „Die Taube schwebt, der Glaube lebt“, kam aus dem Schnürboden statt der angekündigten Taube ein normaler Theater-Sandsack herunter. Einer der Bühnenarbeiter, schließlich und zum guten Ende, der mit dem fallenden Vorhang mitzugehen hatte, stolperte, fiel hin, kugelte vor den Vorhang und kroch vor den Augen des verblüfften Publikums auf die Bühne zurück. Es bliebe noch zu erwähnen, daß sich Franz Völker in der Generalprobe beim Spiel mit den Blumenmädchen die kleine Zehe brach und durch Fritz Wolff ersetzt werden mußte.

1941 fing ich mit dem ernsten Kompositionsstudium bei Boris Blacher in Berlin an. Zum ersten Male wurde mir die moderne Musik in breiterem Umfang erschlossen. Ich analysierte mit Blacher Werke Schönbergs, Hindemiths, Strawinskys, Bartöks mit dem Erfolg, daß nach zwei Jahren Studium mein erstes Orchesterwerk entstehen konnte: „Capriccio“, das unter Leo Borchard mit den Berliner Philharmonikern zur Uraufführung gelangte. Mein erstes Bühnenwerk entstand auf Anregung von Werner Egk: es ist das Ballett „Prinzessin Turando t“, dessen Libretto der Stiefbruder Francesco Mali-pieros, Luigi Malipiero, entworfen hatte. Die Choreographie war von der bekannten Ballettmeisterin Tatjana Gsovsky. Das Stück kam an der Dresdner Staatsoper unter der Leitung von Karl Elemendorff zur Uraufführung und wurde von Publikum und Presse freundlich aufgenommen. Auch heute noch erfreut sich meine Erstgeborene bester Gesundheit. Gegenwärtig wird sie auf den Bühnen von Stuttgart und Frankfurt gezeigt; demnächst soll „Prinzessin Turandot“ auch in Mannheim, Hamburg und Nürnberg präsentiert werden.

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