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Der Weg nach Monsalvat

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Am 14. Oktober stand ich, im Widerstreit tausender Empfindungen, im Wartezimmer des Erzabtes.

Vom Augenblick an, da ich früh am Morgen meinem Fahrer den Befehl erteilt hatte: „Hinauf zum Kloster!“, schwieg die innere Stimme in mir. Ihr Wille war erfüllt, ich war im Begriff, ihr Verlangen — nein, ihren Befehl, zu erfüllen, sie konnte ruhen oder wenigstens still sein, nur gleichsam im Verborgenen aufmerkend, ob ich auch bei der Stange bleiben werde.

Das Städtchen Cassino durchfahrend, sah ich trotz des Frühnebels schwere Bombenschäden. Die Front war zwar noch weit entfernt, aber Cassino lag an einer wichtigen Nachschubstraße, und eine solche ist nicht leichter zu blockieren, als: indem man an Straßenengen die Häuser rechts und links durch Bomben in Trümmer legt. Allerdings war der Schutt dort, wo er hinderte, schon wieder weggeräumt. So war ich bald am Nordausgang des Ortes, wo die Serpentinen begannen. Mein Wagen kletterte bergan und hatte bald den Bodennebel durchstoßen. Welch ein Anblickt Die Sonne wandelte den Nebel zu meinen Füßen in geschmolzenes Silber und zu meinen Häupten ragte bei einer weiteren Kehre das Wunderwerk der weltberühmten Abtei zur Höhe. Unwillkürlich faltete ich die Hände. Trotz Auto, trotz Uniform, trotz allem modernen Beiwerk empfand ich etwas von dem, was Parsifal empfunden haben mag, als er zum erstenmal Monsalvat ersah.

„In fernem Land, unnahbar euren Schritten...“

Ach, aber nicht euren Fliegerbomben; ging es mir schmerzlich durch den Sinn. Und damit war ich wieder in der Wirklichkeit angelangt: ich stand im Wartezimmer des Abtes von Monte Cassino und hatte noch keine Ahnung, was ich ihm sagen werde.

Um meinem mangelhaften Italienisch abzuhelfen, hatte ich mir einen Soldaten mitgenommen, einen gebürtigen Südtiroler. Aber nicht um sprachliche Schwierigkeiten ging es, sondern um sachliche. Mein Blick heftet sich auf eine romanische Holzskulptur, eine ungemein zarte Madonna mit dem Kinde. Wie alt mochte sie sein? Welchen Meisters Händen mochte 6ie entstammen? Ach, diese Künstlerhände sind längst Staub geworden; aber seine Vision lächelt noch verklärt herab. Soll sie jetzt vernichtet werden? Nein, ich muß es verhindern, muß sie retten. Aber wie? Meine Gedanken jagen. Da öffnet sich die Türe: „Seine Exzellenz der Herr Erzabt läßt den Herrn Oberstleutnant bitten.“

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