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Nietzsche hat recht gehabt
Die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung in Graz hatte verschiedene Gesichter. Für den Betrachter von außen hat sie anhand der Medienberichterstattung vielgestaltige Eindrücke hinterlassen. Auch was Teilnehmende erzählen, fügt sich nur schwerlich zu einem übereinstimmenden Bild, und wenn schon, so kaum zu einem harmonischen.
Gerade diese Perspektive von außen ist hier aber bestimmend, denn sie ist jene, welche der Großteil der Menschen in Europa mitbekommt - vorausgesetzt, sie schenkten der Versammlung überhaupt Beachtung.
Natürlich: Da sind glückliche Bilder und positiv erfüllte Statements über die Medien gegangen, das soll gar nicht unterbewertet werden. Zugleich war da das unwürdige Hin und Her der Patriarchen (kommen sie - kommen sie nicht?). Es offenbarte sich die große Kluft bezüglich des Platzes der Frau in der Kirche Gottes (von „Sie darf nicht an meinem Tisch sitzen” bis zu „Sie darf Priesterin und Bischöfin werden”). Es war durchzuspüren, wie die Reformierten Kirchen sich an den Rand gedrängt und in der Minderheit fühlten und wie die Orthodoxen Kirchen und Katholische noch immer über das Problem der Unier -ten stolpern ...
Weltbestimmende Themen wie Frieden, Versöhnung, Schöpfung und Umwelt können da schnell dazu herhalten, zumindest eine Wort-Brücke über erkennbar gewordene Abgründe zu spannen.
Aber dieser Versuch ist trügerisch und entlarvt sich vor einer kritischen Welt von selbst, wenn die innere Un-Geschwister-lichkeit so offen zutage tritt. Wo bleibt da noch die Glaubwürdigkeit, geschweige denn das Glaubenszeugnis gegenüber der Welt von heute? Schöne Binnenerfahrungen mögen für den Augenblick darüber hinwegtrösten und hinwegtäuschen, daß der Riß (und damit der Skandal) tief ist.
Friedrich Nietzsche sprach von den Christen (und wohl auch Christinnen), die für ihn „erlöster” aussehen müßten. Das heißt geschwisterlicher im Namen Jesu und schließt versöhnter mit ein; vor allem hieße das, untereinander (und so auch im Angesicht der Welt) jene Grundhaltung zu leben, die der Herr Jesus Christus seine Jüngerinnen und Jünger gelehrt hat.
Nietzsche hat recht gehabt, Graz hat es erneut gezeigt.
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