Warum geriet Henrik Pontoppidan in Vergessenheit?

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Logisch ist es nicht, dass Pontoppidan weitgehend unbekannt ist. Immerhin wurde er 1917 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

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Logisch ist es nicht, dass Pontoppidan weitgehend unbekannt ist. Immerhin wurde er 1917 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

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Vernünftig ist es nicht, so jemanden wie den Dänen Henrik Pontoppidan (1857–1943) aus unserer Wahrnehmung zu streichen. Logisch auch nicht. Vernünftig schon deshalb nicht, weil es sich bei ihm um einen Autor handelt, der uns die Augen übergehen lässt.

Er ist fest verankert in der Welt, die er kennt, macht keine großen Sprünge darüber hinaus. Das Gewöhnliche ist seine Sache, wobei sich gerade darin das Ungeheure ausfindig machen lässt. Es bedarf keiner besonderen Aufmerksamkeit, um zu bemerken, dass die Verhältnisse Ungerechtigkeiten hervorbringen. Damit haben sich die meisten abgefunden, an Änderung zu denken, scheint ihnen müßig.

Erst einer wie Pontoppidan will nicht glauben, dass das alles sein kann, was sich ein Mensch im Leben erwarten darf, und macht darauf aufmerksam, dass soziale Unterschiede nicht gottgewollt, sondern von Menschen gemacht sind. So versucht er, die Empörung, die in ihm lodert, unter die Leute zu bringen und das Selbstverständliche infrage zu stellen.

Nobelpreis für Literatur 1917

Nicht gut weg kommt die Kirche, der er im Dänemark des 19. Jahrhunderts ein hohes Maß an Engstirnigkeit nachweist. Selbst entstammt er einer Pfarrerfamilie, sein Schreiben in Protesthaltung wirkt wie eine Absetzbewegung davon. Die Leute auf dem Land sieht er als eine Gemeinschaft der Verlorenen, die den Anschluss an die neue Zeit verpasst haben.

Logisch ist das nicht, dass Pontoppidan im deutschen Sprachraum weitgehend unbekannt ist. Immerhin wurde er 1917 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet, womit er in den Kanon der Weltliteratur aufgenommen wurde. Es war kein Missgriff damals. An diesem Realisten, der genau auf Details achtet, aus denen sich eine komplexe Welt erschließen lässt, haben wir einen kritischen Geist, der Einspruch erhebt gegen Duckmäusertum und Mitläufern die Leviten liest.

In „Selbstgespräch am 11. März 1897“ legt er Rechenschaft über seine eigene Entwicklung ab. In jungen Jahren war er einer, der die Welt verändern wollte, „um genau wie ein Gott die Menschen nach dem eigenen Bilde zu formen“. Später wurde das Ich das eigentliche Mysterium, das zu ergründen er nicht fertig wurde. „Denn mit jedem Tag, der vergeht, werde ich mir fremder. Und doch kann ich nicht aufhören zu hoffen. Und doch suche ich weiter.“

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