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Wille und Weg

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Nicht den Berufskünstlern, berufenen und unberufenen, gelten diese Zeilen, sondern Kunstliebhabern, die sich aus reiner Liebe zur Kunst mit Stift und Pinsel betätigen, um in ihrer kargen Freizeit mit ehrlichem Wollen und mit Demut der Kunst zu dienen. Die Ausstellung der künstlerischen Volkshochschule an der Akademie der bildenden Künste, die im Rahmen der Scchzigjahr-feier des Volksbildungsvereins Margareten (V., Stöbergasse 11 — 15) am ersten Maisonntag eröffnet wurde, gibt den Anlaß, sich mit diesem Sonderfall volksbildnerischer Bestrebungen zu befassen.

Während die Freude an der Musik in Wien, namentlich in früherer Zeit, breite Volksschichten eigener musikalischer Betätigung zuführte, war das Verständnis für bildende ! Kunst eigentlich immer nur einer verhältnismäßig kleinen Schichte vorbehalten, während sich die Arbeiter und Angestellten, die Handwerker und kleinen Gewerbetreibenden davon ausgeschlossen fühlten. Seit mehr als hundert Jahren schwanden die früher so engen Beziehungen zwischen Kunst und Handwerk immer mehr und mehr, die Kunst wurde dadurch immer stärker dem Volke entfremdet, das in ihr nur mehr ein Gebiet adeligen und bürgerlichen Mäzenatentums sah, und die Berufskünstler selbst verfielen nicht selten dem Streit einander bekämpfender Kunstrichtungen, weil sie den Nährboden der Volksverbundenheit verloren hatten. Man bekämpfte den Dilettantismus und übersah dabei ganz, daß man damit den besten Resonanzboden des eigenen Kunstschaffens vernichtete.

Daher war es eine mutige und wertvolle Tat, daß| Frau Professor Gerda M a t e j k a-Felden schon vor einer Reihe von Jahren daranging, künstlerische Kurse für die arbeitenden Menschen einzurichten, um sie einerseits zum Kunstverständnis zu erziehen und andererseits ihrer Schaffensfreude den richtigen Weg zu zeigen. Aus Werkstatt und Büro kommen diese fast 1500 Kursteilnehmer, Männer und Frauen,Siebzehnjährige ne1en Zweiundsiebzigjähri-gen, Arbeiter und Oberpolizeiräte, Briefträger und Bankbeamte, aber alle von dem gleichen Willen beseelt, sich in das Wesen und die Schönheit der Kunst zu vertiefen und dem eigenen schöpferischen Drange ein Betätigungsfeld zu erschließen. Es ist ein großes Wunder, das unseren Respekt verdient, daß Menschen, trotz Kälte und schlechter Ernährung, trotz Verkehrsschwierigkeiten und Mangel an Material, müde von ihrer Berufsarbeit, aus reinem Idealismus viele Stunden ihrer künstlerischen Betätigung widmen. Sie streben nicht danach, die Kunst als Beruf anzusehen, sondern sie wollen sich ihr schweres Dasein durch die Kunst lichter und schöner gestalten, und so werden manche von ihnen zur Kunst berufen, ohne von Beruf Künstler zu sein.

Es ist eine Freude zu erkennen, wieviel künstlerisches Wollen sich in den Graphiken und Bildern dieser Ausstellung verrät, wenn auch das Können damit noch nicht immer Schritt zu halten vermag. Aber das ist im Grunde auch nicht so wichtig, denn der Wert dieser Kurse liegt ja nicht in der Qualität des Geleisteten, sondern in der Tatsache, daß Hunderte von Menschen wirklich die Bedeutung der Kunst erkannt haben, Ehrfurcht vor dem Können erlangen, dessen Schwierigkeiten ihnen im Verlaufe ihrer Arbeit klar werden, daß sie es sein werden, die durch ihre eigene Betätigung das große Kunstwerk zu schätzen verstehen und die Freude an der echten Kunst in immer weitere Kreise tragen.

Wenn unter den vielen Ausstellern auf die Arbeiten des siebzehnjährigen Otto W a 1 e n t a, die Porträtzeichnungen Viktor J a n d 1 s sowie auf Rudolf Bauer, Doktor Barte 1, Bösel und Markowitsch besonders hingewiesen wird, so geschieht dies deshalb, weil sie in ihrem Schaffen die Grenzen des Dilettantismus überschritten haben. Die Zeit wird lehren, ob nicht aus diesen hunderten Idealisten der eine oder andere den Weg zur Höhe machen wird.

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