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Wo barocke Himmel aufbrechen

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Zu den Neuinszenierungen der diesjährigen Salzburger Festspiele zählt die „Rappresentatione di anima e di corpo“ von Emilio de’ Cavalieri, die in der Felsenreitschule in italienischer Sprache aufgeführt werden wird: In diesen Tagen besprachen Herbert Graf, der das Stück inszeniert, Veniero Colosanti und John Moore, denen Bühnenbild und Kostüme anvertraut sind, mit Präsident Bernhard Paumgartner, dem Dirigenten der Aufführung, im Festspielhaus die letzten Vor- bereitungsarbeiten.

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Zu den Neuinszenierungen der diesjährigen Salzburger Festspiele zählt die „Rappresentatione di anima e di corpo“ von Emilio de’ Cavalieri, die in der Felsenreitschule in italienischer Sprache aufgeführt werden wird: In diesen Tagen besprachen Herbert Graf, der das Stück inszeniert, Veniero Colosanti und John Moore, denen Bühnenbild und Kostüme anvertraut sind, mit Präsident Bernhard Paumgartner, dem Dirigenten der Aufführung, im Festspielhaus die letzten Vor- bereitungsarbeiten.

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Mit der „Rappresentatione di anima e di corpo“ (Darstellung von Seele und Körper) wird die von Max Reinhardt begonnene Tradition des geistlichen Schauspiels bei den Festspielen weitergeführt. Diese barocke Oper ist jedoch in noch stärkerem Maße als der „Jedermann“, das „Welttheater“, das „Mirakel“ und in gewissem Sinne auch der „Faust“

ein ernstes, transzendentes Stück. Der Autor, Emilio de’ Cavalieri, ein aus Rom gebürtiger Edelmann, lebte als Kammerherr am Hofe der Medici zu Florenz und machte dort die erste Entwicklung der Oper mit. Bekanntlich gab es in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts meh-

rere Versuche, anstelle des Madrigalstils, der sich für Aufführungen kaum eignete, neue stilistische Möglichkeiten zu setzen. Cavalieris Text geht auf ein altes, im 15. Jahrhundert oder noch früher entstandenes Gedicht zurück, dessen letzte späte Fassung Padre Agostino Manni 1577 herausgab. Im Jahre 1583 wurde es nachgedruckt. Der Text besteht aus kurzen, meist siebensilbigen Versen. In der Art des mittelalterlichen Vers- gedichtes folgt Reim auf Reim. Die Gedankengänge werden ohne Umschreibungen in direkter, höchst eindringlicher Sprache vorgebracht. Auch diese Tatsache spricht für das Alter des Gedichtes, weil hier alle die um 1600 üblich gewesenen Verzierungen fehlen.

Cavalieri hat die letzten Jahre seines Lebens in Rom verbracht — er starb 1603 in seiner Vaterstadt — und dort im Jahre 1600 in irgendeiner Kirche die Rappresentatione zur Aufführung gebracht.

Das Stück ist weder ein reines Oratorium noch ein geistliches Drama. Die Sänger treten nicht im Frack, sondern in Kostümen auf und tragen die Gesangstexte, die sie mit verhaltenen Gesten unterstreichen, gegeneinander vor. Ihre Gestik soll an die feierliche Haltung von Heiligen an Barockaltären — oder an die der Figuren an den Türmen der Kollegienkirche — erinnern.

Mit der Rappresentatione wird erstmals versucht, ein Stück dieser Art auf einer Bühne aufzuführen. Szenische Aufführungen sind nicht bekannt. Präsident Paumgartner verfolgte übrigens kurze Zeit das Projekt, das Stück für den Dom von Monreale (Palermo) zu produzieren, entschloß sich jedoch dazu, es wegen der einmaligen Schönheiten in das Programm der Salzburger Festspiele aufzunehmen. Er hat die Partitur während seiner Forschungen in Florenz entdeckt, die er dort im Frühjahr 1938 im Auftrag der Wiener Universität durchgeführt hat.

Das Milieu des Werkes zeigt die dunkle Seite des Barock. Im Prolog, der in Deutsch vorgetragen werden wird, wundert sich ein alter Mann darüber, daß die Menschen gar so wenig über den Tod wüßten.

Die Hauptfiguren des Stückes sind „Seele“ und „Körper“, die grundsätzlich miteinander auftreten. An ihrer Seite steht alles, was den Menschen auf der Erde erregt. Die „Zeit“, das unbeschwerte „Vergnügen“ mit zwei Gefährten, die Glockenspiele erklingen lassen; der gute „Rat“, der überlegende „Intellekt“, die „Welt" mit ihren Lockungen und der „Schutzengel“. Im Himmel erscheinen die Engel und die Seligen, in der Unterwelt die Verdammten. Die symbolischen Figuren treten jeweils als Gegensänger auf.

Die Dialoge werden stets durch Chöre aufgelockert. Dem einen Chor kommt — wie in den Bachschen Oratorien — eine betrachtende, kommentierende Funktion zu, der zweite Chor repräsentiert die überirdischen Mächte und spielt szenisch mit.

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