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Zwischen Schweden und Böhmen

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Die Gnadenfrist. Roman. Von Olav Hartmann. Friedrich-Wittig-Verlag, Hamburg. Aus dem Schwedischen übersetzt von Ilse Meyer-Lüne. 248 Seiten.

Eigentlich sollte der alte Propst jetzt sterben: das Herz und der freigeistige Arztfreund waren dafür. Der Propst hatte auch nichts dagegen — besonders, da er alle die peinlichen Lebenstage der Vergangenheit nochmals auf dem Sterbelager durchlebte, ohne sie korrigieren zu können. Aber der Propst, der sich aus der Freikirche in die hochkirchliche Ordnung gerettet, nach deren Ritus gebeichtet und das Abendmahl empfangen, Abschiede genommen hatte — starb nicht. Gott gab ihm eine „Gnadenfrist": nachzuholen, w’as er gegen die Familie seines ältesten Sohnes versäumte. Zu ihr begibt sich der Rekonvaleszent, wird „Großpapa“ mit allen Pflichten und Rechten, betet seine Tageszeiten in dem bürgerlich-nichtchristlichen Haus des Sohnes, erhält sein wackliges Herz durch tapfer geschluckte Medizinkapseln, und wartet, den Sohn, die Schwiegertochter und den ältesten Enkel bekehren zu dürfen. Sven, der Enkel, wird durch eine pfingstlich begeisterte Sekte im Wald wachgerüttelt; Magda, die Schwiegertochter, durch eine Fehlgeburt und der Sohn durch einen Autounfall. Und dann erst stirbt der großväterliche Propst: als letzten Eindruck nahm er mit, daß Gott sich nicht in die Absichten der Pröpste einfangen läßt und daß auch Pröpste nicht unbedingt zu den Geretteten gehören müssen. Ich glaube, man ist reif und kann sterben, . wenn man diese beiden Einsichten vom Leben erhalten hat, und — auch dann sind sie bloße Gnade: solche Erkenntnisse und solch reifer Tod.

Wer gern bürgerliche Familiengeschichten liest, wird an diesem Buche Freude haben.

Das Gesetz der Sterne. Johannes Keplers Lebensroman. Von Bertold Keppelmüller. Obelisk-Verbg, Velden-Wien. 285 Seiten. Preis 38 Schilling.

Bei so überreichem 1 Quellenmaterial, wie es nicht nur über das äußere Leben, sondern auch über Denken und Wollen Keplers, des größten Astronomen des 17. Jahrhunderts, vorliegt, ist ein Romanschriftsteller, der sich ihn zum Helden wählt, in Gefahr, entweder eine Biographie zu schreiben, oder dem Historiker und Astronomen Anlaß zum Tadel zu bieten. Diese Klippen vermeidet der vor drei Jahren verstorbene Verfasser dieses 1942 erstmals erschienenen Romans, indem er historisches und erst recht asttonomisches Detail nur sehr sparsam ausbreitet,,dafür aber vor dem Hintergrund von Situationsbildern, die t ine gewisse literarische Abhängigkeit von Werken der Handel-Mazetti verraten, Kepler als Menschen seiner Zeit in frei zusammengefügten Zitaten selbst zu uns sprechen läßt. Daß dabei die Akzente im wesentlichen richtig gesetzt wurden, ist ein Vorzug, der einige Fehlurteile und astronomische Ungenauigkeiten reichlich aufwiegt. Empfehlenswert.

Der goldene Reiter. Ein Roman um König Harold und Herzog Wilhelm. Von Hope Munt z, Mit Vorwort und geschichtlichem Ueberblick von Eckart von N a s o. Wolfgang-Krüger-Vetlag, Hamburg. 548 Seiten.

Es bedarf gar nicht der klugen und feinfühligen Einführung von Eckart von Naso, um uns aufhorchen zu lassen. Hope Muntz, eine Frau, hat in ihrem Sir Winston Churchill gewidmeten großen Roman „Der goldene Reiter" eine entscheidende Epoche der englischen Geschichte mit allem Flair des Historiendichters vorgetragen. Es ist die Zeit Harolds, dem 1066 bei Hastings Wilhelm der Eroberer und seine Normannen Krone und Leben nahmen. Ein Thema von der Art, aus der Heldensagen wachsen, wuchtig in der Großlinigkeit und tragisch in der Verkettung von Ehre, Liebe und Schuld. Der Stil einer schlichten archaischen Epik — in ausgezeichneter deutscher Uebersetzung — hält die Handlung, in der Ferne des Einst zurück, dennoch spüren wir die erschütternde Nähe des ewig währenden Machtkampfes.

Die rote Stadt. Von F. X. Havlicek. Uebersetzung aus dem Tschechischen. Verlag Friedrich Rudi, Frankfurt am Main.

In 30 Bildern rollt das Leben in einer Volksdemokratie vorüber — die Verstaatlichung der Wirtschaft, die kommunistische Durchdringung des Heeres, der Kampf gegen die Kirche, die Wiederbesiedlung des Grenzgebietes, die Errichtung der Kolchose usw. Schade, daß die primitive Schwarzweißmalerei nichts von der wirklichen Problematik und Vielschichtigkeit der dargestellten Fragen ahnen läßt. Auch der Titel ist irreführend, denn von dem einst goldenen, jetzt roten Prag ist in dem ganzen Buch nur selten die Rede.

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