6569787-1950_14_14.jpg
Digital In Arbeit

Substanz der Konzerte

Werbung
Werbung
Werbung

Sic wird dünner in dem Maß, als ihr natürlicher Erneuerungsprozeß äußeren und inneren Schwierigkeiten begegnet oder seine Quellen überhaupt versiegen. Letzteres scheint auf dem Gebiete des Männerdiores bedenklich nahe, zumal die Ausführenden sich meist nur zögernd mit musikalischer Erneuerung befassen, vielmehr sich an ihrem unsterblichen und sterblichen, nicht selten schon gestorbenen Erbgut genügen lassen, was einen elegischen Klang gibt. Eine solche Elegie war das „Heitere Konzert“ des Wiener Männergesangvereins, das aus rund hundertjährigen Chören bestand, deren angeb-lidie Heiterkeit stark nekrologisch wirkte, sowohl in der Dünne des kompositorischen Elements als in den oft ungenießbaren Versen. Textierte Straußwalzer bleiben nun einmal ein Gestammel und erhärten nur die Ansicht, eine so ausgemachte und zündende Tanzmusik sei zum Tanzen und nicht zum Singen da, schon gar nicht zum chorischen. Orchester-stüdee (Tonkünstlerorchester), Knabendiöre (Sängerknaben vom Wienerwald) und Soloeinlagen der Staatsopernsängerin Berta Seidl belebten das von Kapellmeister Karl Etti betreute Programm als den Spiegel einer sorgloseren, aber auch oberflächlicheren Zeit. — Neben diesen Dünen steht Joseph Haydns „Schöpfung“ als ein Montblanc, den die Tonkünstler (Orchester und Chor) unter Führung von Kurt Wöß zu erklimmen versuchten. Die unerhörte Dichte dieser Musik erzeugt ihre explosive Kraft, die Einfachheit ihrer Mittel (oder was wir Späteren dafür halten) ihre volkstümliche Wirkung und die Universalität ihres Stoffes ihre bleibende Gültigkeit. Der junge Chor erwies sich überraschend gut in Bewegung, Klang und Ausdruck, von den Solisten (Preisträgern im Mozart-Gesangwettbewerb) waren Walter Berry und Otto Wiener auf der Höhe ihrer Aufgabe. Uber kleine Mängel (auch des Orchesters) hinweg errang hier eine begeisterte Jugend gleichsam im Sturm das alte Meisterwerk.

Drei Kompositionsabende zeitgenössischer Musik standen in verschiedener Spannung zum Traditionellen. In vorbildlich interpretierten zwei- und dreistimmigen Kammermusikwerken legitimierte sich J oh. N e p. David neuerdings als Abkömmling Bachscher Poly-phonie, deren gewaltige Melodiebogen er unbekümmert durch Tiefen und Untiefen kako-phoner Spannungen führt, durch die Stärke und Plastik seiner Erhnung vor Substanzverlust gesichert. — Ernst Tochs, des im Wirrsal der Zeit fast Vergessenen, subtilere und subjektivere Musik, von klanglichen Härten weniger als von seelischer Leuchtkraft profiliert, erwies, teilweise durch ihren Schöpfer selbst interpretiert, abermals ihre aparte und versonnene, ein wenig exklusive Art und in den „Poems to Martha“ (Quintett für Streicher und Singstimme) ein Meisterwerk. — Das diesem sechsten vorangehende fünfte Kammerkonzert der IGNM war dem Schaffen junger österreichischer Komponisten gewidmet und brachte in Karl Schis-kes vierhändiger Klaviersonate und seiner „Musik für Klarinette, Trompete und Bratsche“ sowie in der Klaviersonate Nr. 4 des allerdings kaum mehr den Jungen zuzuzählenden Felix Petyrek die reifsten Resultate. In beiden Fällen ist bewußte und gekonnte Gestaltung am Werk, hier des Persönlichen in Stil und Ausdruck (Petyrek), dort des kühn in neue Dimensionen Vorstürmenden, das bald Gefahr läuft, sich selbst zu überholen. Von den anderen strebt Wilhelm Keller nach einfacher Klarheit, Paul Kont nach neuen Formulierungen, Alfred Brendel nach rhythmischer und Robert Schollum nach linearer Entscheidung, soweit man ihren noch ziemlich unklaren kompositorischen Versuchen Deutung geben darf.

Von drei Solistenkonzerten fesselte Friedrich Wildgans' Klarinettenabend' durch ein substanzdichtes Programm, das zwischen Reger und Mozart Werke von Milhaud, Armin Kaufmann und Hindemith brachte und damit große Ansprüche an die Zuhörer stellte, die leider durch das nicht reibungslose Funktionieren des konstruktionsverbesserten Instruments teilweise beeinträchtigt wurden. — Laila Aavatsmark, die Osloer Pianistin, konnte uns mit Mozart und Brahms weniger überzeugen als mit liebenwürdigen, wenn auch leichtgewichtigeren Werken junger norwegischer Komponisten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung