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Aram Iljitsdi persönlich

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Aram Iljitsch Chatschaturjan, der zusammen mit Prokofieff und Schosta- kowitsch die berühmte, zeitweise umstrittene und angefeindete, nunmehr aber wohl endgültig anerkannte Trias der zeitgenössischen Sowjetkomponisten bildet, kam 1903 in Tiflis als Sohn eines Buchbinders auf die Welt. Dieser war aus den armenischen Bergen in die Hauptstadt Grusiniens, Tbilissi, gekommen, und hier empfing sein Sohn die ersten musikalischen Eindrücke, die für sein gesamtes Schaffen bestimmend wurden. Die musikalische Unterweisung in Theorie und Technik erfolgte relativ spät: erst mit 19 Jahren lernt er Noten lesen und schreiben, er tritt, in Moskau, in die Gnjessinsche Musiklehranstalt ein, später ins Moskauer Konservatorium und studiert schließlich, von 1929 bis 1934, Komposition bei Mjaskowski (der inzwischen gestorben ist und den Chatschaturjan als den Begründer der neuen sowjetischen Symphonieform sehr verehrt). — Bereits 1932 entstand ein Klavierpoem und einige Kammermusikwerke, zwei Jahre später die 1. Symphonie, 1936/37 das erste Meisterwerk, das Klavierkonzert, 1940 das vielgespielte Violinkonzert, im Jahr darauf das Ballett „Gajaneh”. Die 2. Symphonie wurde während des zweiten Weltkrieges geschrieben und kann als Chatschaturjans symphonisches Hauptwerk betrachtet werden. Außerdem gibt es noch ein Cellokonzert, ein symphonisches Poem und einige Film- und Bühnenmusiken. Auch an patriotischen Huldigungswerken fehlt es nicht, von denen nur die armenische Volkshymne und die Musik zu dem Tonfilm „Die Stalingrader Schlacht” genannt seien.

Aber Chatschaturjan ist kein Vielschreiber, sein Werkkatalog mutet etwa neben dem von Prokofieff, Schostako- witsch oder Mjaskowski geradezu bescheiden an. Dabei hätte er es leicht, denn er hat eigentlich von seinem ersten Werk an seinen Eigenstil gefunden, und diese Mischung von Tschaikowskyscher Form, armenischer Folklore und westlichem Aufputz ließe sich beliebig strecken. Auch versteht Chatschaturjan sein Handwerk ganz ausgezeichnet, und von seinen Instrumentationskünsten werden seine Schüler am Moskauer Konservatorium und am Gnjessinschene Institut sicher viel profitieren.

1946 war er heftigen Angriffen durch den Komponistenverband und die gleichgeschaltete Presse ausgesetzt. Diese konnten wohl kaum gegen seine Musik gerich- tet’igewesen sein, als vielmehr (gegen seine sehr ehrenhafte und: lobenswerte. Solidaria tat--mit seinen Kollegen; Prökofieffund Schostakowitsch, von denen einzelne Werke sehr empfindlich gegen die von Schdanow promulgierten Kunstgesetze verstießen. — Denn wenn man von ein paar Dissonanzen und einer gewissen westlich-eleganten Attitüde absieht, so stellt Chatschaturjans Musik genau das dar, was man sich in der UdSSR von einem repräsentativen Komponisten wünschen mag. Seit 1951 ist er auch Generalsekretär des Komponistenverbandes und Präsident der Sowjetisch-Südamerikäni- schen Gesellschaft, wird oft und gern ins Ausland geschickt und genießt als erster Fachmann für die Volksmusik der transkaukasischen und mittelasiatischen Völker innerhalb der Sowjetunion unbestrittenes Ansehen. Auch seine Frau, Nina Makarova, und sein 20jähriger Sohn sind ausgezeichnete Musiker: beide sind als Pianisten ausgebildet, und Nina Makarowa hat schon viel komponiert, eine Oper, eine Symphonie, zahlreiche Lieder und Romanzen auf Texte von Puschkin, Majakowsky und anderen.

Im 6. Abonnementkonzert der Wiener Philharmoniker hörten wir unter der Leitung des Komponisten Chatschaturjans 2. Symphonie,: sei- nei. Klavierkonzert (mit iAleXftpderbJenner aJs. 5cdtsten) und drei /Tgtizes augsdep Ballett „Gta j a n e h”. — In den, (mehrfach untergeteilten) vier Sätzen der 2. Symphonie, die „den Kampf für die Menschheit” zu schildern unternimmt, begegnen wir dreimal der Bezeichnung „Maestoso”, und tragischpathetisch ist auch der Grundcharakter des knapp einstündigen Werkes, dessen Musik diese lange Zeit allerdings kaum ganz zu erfüllen imstande ist. Besonders der erste Satz, mit seinen dröhnenden Glocken und Bläserchören, vermittelt eher den Eindruck, die Geste des Majestätischen als dessen Wesen. Im darauffolgenden Allegro risoluto mit seinen vielfach unterteilten Metren und der originellen, farbigen Instrumentierung, ist Chatschaturjan mehr in seinem Element, ln den Trauermarsch des Andante sostenuto klingt beziehungsvoll die Melodie des „Dies Irae”, Note für Note, hinein (was im Programmheft ebenso schamhaft verschwiegen wird wie die Kolchosenherrlichkeit des „Gajaneh”-Balletts). Der Schlußsatz setzt mit Trompetenfanfaren ein und führt zur Grundstimmung des 1. Satzes zurück, nicht ohne den traditionellen Finaljubel mit Pauken und Trompeten.

Das hierauf folgende Klavierkonzert wurde in Wien schon mehrmals gespielt und auch an dieser Stelle besprochen. Es ist ein brillantes, gutklingendes Stück in der Tschaikowsky-Nachfolge, dessen Autor auch die beiden Ravel-Konzerte mit großem Nutzen gehört und sein eigenes pianistisches Können hier auch als Komponist anwenden konnte. Im letzten Satz, wo sich Chatschaturjan begnügt, gute, ja beste Unterhaltung zu bieten — also sein Ziel weniger hoch steckt —, ist er am besten und überzeugendsten.

Das bestätigten die zum Abschluß des interessanten und überfüllten Konzertes vorgetragenen drei Fragmente aus „G a j a- neh”, von denen wir den Preis dem mittleren („Erwachen und Tanz der Aischa”) zugestehen möchten. Hier zeigten sich die bedeutenden Qualitäten Chatscha- turjAs im hellsten Licht-: seine reizvolle, armenisch stilisierte Melodik mit ihren langgezogenen, schwermütigen Kantilenen und den ausdrucksvollen „singenden” Triolen, aparte Harmonisierung und ausgepichte Instrumentationskünste, der Effekt seiner ostinaten, aber nie maschinenmäßig wirkenden Rhythmen und ein offensichtlicher Sinn für elegante Form und sichere Wirkung. — Diesen seinen nicht allzu komplizierten Werken ist Chatschaturjan — ein graumelierter, lässig-eleganter Endfünfziger — auch als Dirigent durchaus gewachsen. Unter seiner Leitung spielten die! Philharmoniker (die in den nächsten Tagen Schallplatten- -aiifnahmen, mit, dea> Gasfciihachfn Werden) mit unverkennbarem Vergnüge?,,anal, was anderes”.

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