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Theater in Salzburg

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Zu den schwierigsten Prüfungen eines Theaters gehört Georg Büchners geniales Lustspiel „Leonce und Lena“. Salzburg hat sie beinahe summa cum laude abgelegt und die mit leichter Hand über den Abgrund des Nichts hingeworfene Arabeske aus Gold und Gift sauber nachgezogen. Die Regie Walter Pohls stellte die Vision des Dichters im Stile des Marionettentheaters dar, und der Bühnenbildner Eugen Wintterle brachte das Ganze in einer Art Spielzeugschachtel unter, womit der Charakter des Künstlichen verstärkt wurde. Reizvolle Inszenierungsideen, bei denen hur das lyrische Element, für den romantischen Antiroman-tiker Büchner so wesentlich, zu kurz kam. Wenn man im Programmheft liest, daß die Uraufführung unter Wolzogen in einem Garten vor sich ging, wird einem klar, wie unvergleichlich in solcher Naturszenerie der Gegensatz der aggresiven Dialektik des Lustspiels und der Einklang mit seinen poetischen Passagen wirken müßten. Das breitere Publikum weiß weder so noch so mit dem vieldeutigen Stück etwas anzufangen. Es will lachen, wenn ein Lustspiel auf dem Programmzettel steht, und der Regisseur, der ihm wenigstens gelegentlich gefällig sein möchte, läuft Gefahr, die Travestierung zu w<=it zu treiben, wie sich in den Szenen bei Hof und im Auftritt der Polizisten erwies. Durch eine großartige Leistung, makellos in Sprache und Darstellung, empfahl sich Klaus Maria Brand-auer als Leonce. Den Valerio spielte Willy Pokorny mit überschäumender Vagantenfröhlichkeit, und Gabriele Jakoby war eine bezaubernde Lena. Alle anderen unter. Es gab eine geschlossene Ensembleleistung.

Mit einer Virtuosenetüde par excellence führten sich die Kammerspiele des Landestheaters ein. Die erste Inszenierung (Günter H. Wittmann) brachte „Ein Eremit wird entdeckt“ von dem Engländer James Saunders, eine skurrile Farce im Pompefunebre-Kostüm des Existenzialis-mus. Was auf der Bühne geschieht, ist im Sinne einer dramatischen Handlung ziemlich unerheblich; was gesprochen wird, ob es nun aphoristische Paradoxa, intellektueller Galimathias oder vulgäre Albernheiten sind, läßt sich kaum in Zusammenhang bringen. Trotzdem ist man auf seltsame Weise fasziniert, woran die Schauspieler keinen geringen Anteil haben. Gerhard Mörtl spricht den verrückt schwierigen Text mit artistischer Meisterschaft, bringt mit jedem Wort Spannung auf die Bühne: ein schauspielerischer Hochseilakt in Vollendung. Gleichwertig auf anderer Ebene ist Gabriele Jakoby; wie sie ihre Rolle ganz unauffällig, fast schüchtern anlegt und schließlich als Type von lasziver Weibchenhaftigkeit entpuppt, bezeugt ausgesprochene Bühnenintelligenz. F. M. Westen stattet die Gestalt eines alten erfolglosen Schauspielers mit feinen und rührenden Wesenszügen aus. Graf und Wechselberg bieten Vorzügliches. Das Spiel mit dem Auditorium, ein dramaturgischer Kunstgriff des Autors, fand nur andeutungsweise statt, weil das entsprechende Publikum nicht da war. Die Abwesenden haben eine der besten Aufführungen versäumt, die man hier seit langem zu sehen bekam.

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