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Von Macht fasziniert

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Ein Weltpanorama tut sich auf. Ein Großer, ein Beherrscher vieler Länder stürzt über ein Weib. Haßt sie ihn? Nein, sie liebt ihn. Ein Zeitalter geht damit zu Ende. Dies ereignet sich in Shakespeares Trauerspiel „Antonius und Cleopatra“, das derzeit im Burgtheater zu sehen ist. Der endgültige Sturz des Marc Anton erfolgt in der Seeschlacht von Actium. Cleopatra flieht mit ihren 60 Schiffen, Antonius läßt seine 200 Schiffe und 20.000 Mann im Stich, folgt ihr nach. Sie ist das Urbild verführerischer, aufreizender Weiblichkeit. Erotik vermag zu steigern, zu Leistungen zu beschwingen, hier zieht das Ewig-Weibliche nicht hinan, sondern hinab. Marc Anton erlag sich selber nur, sagt er von sich. Er erlag seiner Genußsucht, gewiß. Stürzte er über seine Liebe? Dieses Stück wirkt ais puritanische Verleumdung der Erotik. Eine Welt wird bemüht, dies darzutun, die Weltgeschichte scheint Shakespeare recht zu geben. Aber Cäsar, vordem ihr Liebhaber, stürzte nicht über dieses faszinierende, fast genial zu nennende Weib.

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Ein Weltpanorama tut sich auf. Ein Großer, ein Beherrscher vieler Länder stürzt über ein Weib. Haßt sie ihn? Nein, sie liebt ihn. Ein Zeitalter geht damit zu Ende. Dies ereignet sich in Shakespeares Trauerspiel „Antonius und Cleopatra“, das derzeit im Burgtheater zu sehen ist. Der endgültige Sturz des Marc Anton erfolgt in der Seeschlacht von Actium. Cleopatra flieht mit ihren 60 Schiffen, Antonius läßt seine 200 Schiffe und 20.000 Mann im Stich, folgt ihr nach. Sie ist das Urbild verführerischer, aufreizender Weiblichkeit. Erotik vermag zu steigern, zu Leistungen zu beschwingen, hier zieht das Ewig-Weibliche nicht hinan, sondern hinab. Marc Anton erlag sich selber nur, sagt er von sich. Er erlag seiner Genußsucht, gewiß. Stürzte er über seine Liebe? Dieses Stück wirkt ais puritanische Verleumdung der Erotik. Eine Welt wird bemüht, dies darzutun, die Weltgeschichte scheint Shakespeare recht zu geben. Aber Cäsar, vordem ihr Liebhaber, stürzte nicht über dieses faszinierende, fast genial zu nennende Weib.

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Das Beste an der Aufführung sind die Bühnenbilder des Regisseurs Gerhard Klingenberg. Um die über dreißig Verwandlungen bei offener Bühne rasch zu bewältigen, ordnet er eine Stufenanlage an, auf die sich, immer wieder anders, kupfern blinkende Plattenwände niedersenken und so ; verschiedenartige Räume schaffen oder den Himmel völlig freigeben. Auf Ortung wird verzichtet. Statuarische Stellung der Darstellergruppen, die durch die Lichtführung mehrfach zu Damianischen Silhouetten werden, ergibt beachtliche Bildwirkungen, hemmt aber Dynamik. Die Wiedergabe schleppt, die Besetzung der Hauptrollen läßt zu wünschen übrig. Hilde Krahl besitzt als Cleopatra zwar Leidenschaft, aber die erotische Ausstrahlung fehlt. Walther Reyer spielt den Marc Anton wie einen der sonst von ihm verkörperten klassischen Helden, Sebastian Fischers hektisch- stoßende Sprechweise als Octavius Cäsar soll Energie charakterisieren, Romuald Pekny als Enobarbus glaubt man nicht den Tod aus Gram über seinen Verrat. Die Kostüme von Rudolf Heinrich mischen unverständlicherweise die Stile vieler Zeiten.

George Bernard Shaw führt in der Geschichte Ägyptens um etwa sechs Jahre zurück und zeigt in dem Stück „Cäsar und Cleopatra“, das im Akademietheater aufgef.ührt wird, die Beziehungen Cäsars zu der Ptolemäerin, deren damaliges Alter er um vier Jahre verjüngte, so daß sie bei ihrer Begegnung mit dem Zweiundfünfzigjährigen nur 16 Jahre alt ist. Das Bahnbrechende der vor mehr als 70 Jahren entstandenen Szenen, das darin bestand, daß dieser Feldherr keineswegs als ein Heros gezeichnet ist und dennoch, ja gerade dadurch Größe besitzt, wurde viel gerühmt.

Cäsar tut stets das Gegenteil von dem, was die ihn Umgebenden, ihren Konventionen verhaftet, erwarten, dadurch erringt er seine Erfolge. Einen möglichen Verrat Cleopatras sieht er gelassen als selbstverständliche Möglichkeit an. Daß sie aber ihren und seinen Feind Pothinus aus Rache heimlich ermorden läßt, verur teilt er empört. Er handelt aus Vernunftgründen, nicht aus Haß, nicht aus Ressentiments wie die andern und zeigt damit, daß nur vernünftiges Handeln letztlich erfolgreiches,

nutzbringendes Handeln ist. Denn Rache bedingt nur wieder Rache. „So wird bis zum Ende der Zeiten Mord Mord gebären, und immer im Namen des Rechts, der Ehre und des Friedens.“

Während der Umbaupausen trägt Axel von Amlbesser in Shaws Maske unnötig Abschnitte aus der Vorrede zu diesem Stück vor. Als Regisseur bietet er eine arg durchschnittliche Wiedergabe, das Schnittige der Dialoge geht verloren. Johanna Matz setzt in der Sphinx-Szene als Cleopatra gut an, läßt aber dann völlig aus. Die. geistige Dimension Cäsars vermißt man bei Kurt Meisel. Fehlbesetzung der Ftatateeta mit Jane Tilden. Überzeugend wirkt lediglich Michael Janisch als Kraftkerl Rufio. Mit einfachen Mitteln gelingt dagegen dem Bühneribildner Fritz Butz der Eindruck „altes Ägypten“.

Die Briten paradierten in Wien. Im Rahmen der Britischen Woche wurde Shakespeares Trauerspiel „König Richard II.“ durch die Prospect Theatre Company aufgeführt, das sie bereits in Edinburgh dargeboten hatten. Weshalb wählte man gerade dieses Gastspiel, dieses Stück? Das ist leicht zu erkennen.

Shakespeare stellt da den Stolz auf England durch den Mund des sterbenden Gaunt, Herzog von Lancaster, heraus, den Stolz auf dieses „zweite Eden, halbe Paradies“, dieses „Kleinod, in die Silbersee gefaßt“.

Das Stück hat Mängel, der erste Teil mit seinem hochadeligen Widereinander läßt uns kalt. Erst mit Richards Abstieg, seinem Thronverlust ändert sich dies. Alfred Polgar hat recht wenn er sagt, Richard stürze in die Tiefe aufwärts. Da packt die Gestalt, da spürt man die Größe Shakespeares, dem fallenden und gefallenen König wendet er seine ganze Teilnahme zu, dem Sturz aus den Höhen herrscherlichen

Daseins ins Elend des verachteten Gefangenen, dem „süßen Weg zur Verzweiflung“. Das Sichergeben ins selbstverschuldete Schicksal, die Todestraurigkeit, das nunmehr fast Traumhafte seiner Vorstellungen weiten die Gestalt überraschend ins ergreifend Menschliche.

Das Bühnenbild von Tim Goodchild zeigt, wie in „Coriolanus“ vor einem halben Jahr im Burgtheater, eine bühnenbreite, diesfalls goldene Treppe. Richard Cottrellerreicht als Regisseur, daß durch den außerordentlichen Prunk der historisch treuen Kostüme — Entwurf des Bühnenbildners —, durch das nahezu hierartische Ritual der Vorgänge am Hof der Eindruck „Mittelalter“ in einem Maß erreicht wird, wie es dies an unseren Bühnen nicht gibt. Das bedingt eine Spielart, die Pathos erfordert, das aber auch oft zu Übersteigerungen verleitet. Dem jungen Ian McKellenglaubt man als Richard das Gottesgnadentuim, um so erschütternder wirkt sein Abstieg. In der Kerkerszene freilich wendet er die Gestalt fälschlich ins Pathologische. Timothy West ist als Usurpator Bolingbroke durchaus primitiver, kalter Realpolitiker.

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