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Kapuzinerpredigt 1957

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Also predigt Pater Beda an jedem Sonn- und Feiertag in Mariazell bei der Autoweihe: „Vom Glauben her hat es natürlich einen Sinn, daß wir alle diese Dinge weihen: Autos, Motorräder und alle möglichen Vehikel, denn die .Technik kommt ja nicht vom Teufel, sondern vom lieben Gott. Und Gott erlaubt uns nicht nur, sondern befiehlt uns den Fortschritt auf allen Gebieten des menschlichen Lebens. .Macht euch die Erde untertan!“ Gott ist ein Gott des Fortschritts, nicht des Rückschritts und der Stagnation. Er ist der Lebendige. Was sich nicht rührt, ist tot. Was lebt, muß sich immer weiterentwickeln. Und darum segnet die Kirche, die eben wirklich katholisch, das heißt weltweit, universell, allumfassend ist, das, was neu erfunden wird."

Pater Beda scheut nicht davor zurück, grobe Dinge grob zu bezeichnen, denn „mit Seide näht man nun einmal keinen groben Sack.“ ln die verschlossensten Köpfe und taubesten Ohren schleust er die Erkenntnis mit einem Witzwort ein, weil er wdiß/'daß er Slffiif rasch und sicher zum Ziel kommt. So nimmt er die Autoweihe meist zum Anlaß, den Materialisten unter unseren Zeitgenossen, den reichen wie den armen, vor Augen zu führen, was sie sind und was sie zu erwarten haben. „Was wollt ihr alle haben, meine Herrschaften? Geld wollt ihr haben. .Wenn ich nur Geld hätt“, wenn ich nur mehr Geld hätte“, schreit die ganze Welt. Und auf der anderen Seite steht in der Heiligen Schrift:

Leichter geht ein Kamel (mit drei Höckern) durch ein Nadelöhr, als daß ein Reicher in den Himmel kommt. Ja, meine Herren Großbauern, Geschäftsleute, Fabrikanten, Großgrundbesitzer, Generaldirektoren, es ist schon so: Die armen Reichen sind in größter Gefahr, daß sie der Teufel holt!... Zwischen einem Kapitalisten, der meint, mit Geld könne man alles kaufen: Menschenleiber und Menschenseelen, und einem Bolschewiken ist gar kein wesentlicher Unterschied. Praktisch ist’s gehupft wie gesprungen. Beide sind Materialisten, beide sind reine Diesseitsmenschen, beide überlassen den Himmel den Spatzen und den Pfaffen. Beide tanzen um das goldene Kalb, nur daß sie es nach verschiedenen Rhythmen und Melodien machen. Der eine nach der Internationale, der andere nach der Jazzmusik. Der eine tanzt links herum, der andere rechts herum, und darum stoßen sie mit den Schädeln zusammen und streiten sich. Aber sie streiten sich beide immer nur um dasselbe, um das gleiche goldene Kalb.“

Und sicherlich hat es nicht erst einen der zur Autoweihe Erschienenen betroffen, wie P. Beda im Grunde über die Verkehrsunfälle denkt: „Wenn Gott sieht, daß der eine oder die andere hier, die ruhig noch einige Jahre zu leben hätten, auf die schiefe Ebene kommen, und er wird ein Falott und sie wird ein Luder (es gibt genug davon), dann würde sich in einem solchen Fall der oder die Betreffende nicht trotz des Segens, den sie hier für ihr Vehikel erhalten haben, sondern geradezu in der Kraft dieses Segens von der Gnadenmutter schon heute oder morgen mit diesem Vehikel erschlagen, denn es ist besser, er derschlagt sich schon heut utld kommt in den Himmel als ęr lef)t,npch dręį Jahre und geht zum Teufel.“

Pater Beda beginnt seine Predigt mit Zweifeln, mit negativen Feststellungen: „Nun, wozu seid ihr hergekommen? Ich glaube, daß es bei solchen Autoweihen eigentlich vor allem zwei Hauptmotive gibt: den Glauben und den Aberglauben. Etwas braucht der Mensch, und wenn er keinen Glauben hat, dann hat er Aberglauben. Je weniger Glauben, desto mehr Aber-

glauben. Wenn er nicht glaubt an einen allmächtigen Gott, dann glaubt er halt an einen ohnmächtigen Autowurstel oder sonst irgendein Vieh..

Und so schickt P. Beda den modernen Menschen, der so sehr Aeußerlichkeiten zugetan ist, mit einem mittels einer Kratzbürste zumindest angesäuberten Glauben nach Hause.

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