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Wascht euch nicht zu oft!

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Die Umweltschutzinitiativen haben große Erfolge zu verzeichnen. Sie haben zwar die Naturverhältnisse nicht entscheidend verbessert, dafür aber das Re-wußtsein der Rürger verändert. Wir, die Gruppe „Jeder etwas für die Umwelt" sehen den gravierenden Mangel der Rewegung in der Tatsache, daß die Umweltfreunde immer nur als Kollektive auftreten und von anderen Leuten richtiges Handeln verlangen. Wir wollen den Umweltschutz auf individuelle Rasis stellen -jeder muß bei sich selbst anfangen.

Es gibt zwar schon bewußte Menschen, die zum Reispiel auf das Autofahren oder auf chemisch verseuchtes Gemüse verzichten, dies ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. An eine übergroße Quelle der Umweltverschmutzung, an der wir uns alle beteiligen, hat noch niemand gedacht - an das tägliche und mehrmals tägliche Waschen. Dabei ist die Zahl der Menschen, die sich täglich waschen, größer als die der Autofahrer.

Die Abfälle des menschlichen Ab-waschs - Seife und andere chemische Reinigungsmittel - kommen in die Erde und verdrecken das Grundwasser. Und die Unmengen von immer rarer werdendem Wasser, die durch Radewannen, Duschen und Waschbecken dem Trinken entzogen werden, sind eine unverzeihliche Sünde gegen die Umwelt. Man darf auch nicht den enormen Energieverbrauch für warmes Wasser vergessen.

Das viele Waschen ist aber nur eine kapriziöse Konvention unserer Zeit. Jahrtausende lang haben sich die Menschen nur selten gewaschen. Rei vielen Völkern gilt häufiges Waschen als gesundheits- und lebensgefährlich. Noch vor wenigen Jahrzehnten badeten Familien nur zweimal im Jahr - vor Ostern und vor Weihnachten.

Man behauptet, daß Mangel an Hygiene, wie das genannt wird, zu Krankheiten führt; das stützt sich wohl nur auf Ergebnisse von Forschungen, die von der Seifenindustrie bezahlt wurden. Objektive Forschungen könnten beweisen, daß die Schmutzschicht auf der menschlichen Haut zugleich Schutzschicht ist, wie es die Menschen im Laufe der Jahrtausende glaubten. Sie verwehrt vielen Krankheitserregern den Zutritt zur Haut. Jedenfals zeigen die Erfahrungen von Eskimos und anderen nördlichen Naturvölkern, daß Schmutz zum Teil vor Kälte schützt, ,also den Energieverbrauch mindert. Der neuzeitliche Kreuzzug gegen den Schmutz ist eine schmutzige Kampagne.

Da die Menschen zweifelsohne auch ein Teil der Umwelt sind, ob-zwar der am wenigsten wichtige, könnte man einwenden, daß sie durch den Gestank der ungewaschenen Körper ihrer Mitbürger gestört werden könnten. Dies ist aber nur konventionelles Gewohnheitsdenken: man wird sich an den Gestank leicht gewöhnen, zumal er durch den eigenen überlagert wird.

Vor noch nicht allzu langer Zeit haben sich die vornehmen Damen an den europäischen Höfen kaum gewaschen, dafür ausgiebig parfümiert -sie waren trotzdem attraktiv und führten ein reges Liebesleben. Schließlich sind die Gerüche der menschlichen Ausdünstungen natürlicher als die des Parfüms.

Die fortschrittlichen Rewegungen unserer Zeit - mit den Hippies angefangen und bis zu manchen heutigen Alternativen - hielten nicht viel vom Waschen, und ihre Anhänger lebten doch fröhlich und vergnügt. Viele von ihnen stiegen in der Gesellschaft hoch auf - sie mußten freilich den Konventionen nachgeben und das häufige Waschen auf den Altar der Karriere bringen.

Jeder von uns muß selbst etwas für die Umwelt tun. Wir wollen nicht gleich mit Maximalforderungen kommen. Für den Anfang wird es reichen, wenn man sich nur einmal in drei Tagen wäscht, mit so wenig Wasser und so kalt wie nur möglich. Seife, Gels und Shampoos auf Minimum reduzieren - es gibt ja noch die harten Bürsten und den Rimsstein. Empfehlenswert ist die alte Methode, die ganze Familie in einem Zuber Wasser abzubaden. Mit der Zeit ward man die Waschorgien überhaupt nicht mehr vermissen. Und die Umwelt wird sich freuen.

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