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Atomrummel – von Moskau inszeniert

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Anfang August meldete die sowjetische Nachrichtenagentur TASS, die Republik Südafrika sei bemüht, Atombomben herzustellen. Da es sich hiebei um eine „Bedrohung der gesamten Menschheit“ handle, wurde zugleich an die Staaten des Westens appelliert, gemeinsam mit der Sowjetunion alles zu unternehmen, um dieses Vorhaben zu vereiteln.

Eine rege diplomatische Tätigkeit setzte ein. Uber Aufforderung des sowjetischen Botschafters in der Bundesrepublik intervenierte Außenminister Genscher beim südafrikanischen Außenminister Botha, in London reagierte die Labor-

regierung Callaghan überaus nervös und sprach von einer „extrem ernsten Angelegenheit“. In Washington ließ sich der amerikanische UNO-Botschafter Young empört vernehmen, nur Präsident Carter behielt einen kühlen Kopf: Er legte der Regierung in Pretoria jedoch den Beitritt zum Atomsperrvertrag dringend nahe.

Am heftigsten war die Stellungnahme der französischen Regierung: Sie ließ es sogar an einer drohenden Geste nicht fehlen und distanzierte sich mit aller Schärfe von einem derartigen Plan.

Das Ende der Affäre bestand in eindeutigen Dementis des Südafrikanischen Premierministers Vor- ster und seines Außenministers Botha. Beide Politiker betonten, die Republik habe nicht die Absicht, Atombomben herzustellen.

Analysiert man die ganze Angelegenheit rückschauend, so erblickt man sie bald in einem besonderen Licht. Die zugrundeliegenden Fakten sind rasch aufgezählt: Südafrika verfugt über große Uranvorkommen, in der westlichen Welt hat nur Kanada noch größere Reserven. In den Goldminen fällt Uranerz seit

Jahrzehnten als Nebenprodukt an und südafrikanische Techniker entwickelten ein neues, überaus billiges Anreicherungsverfahren und stehen in regem Erfahrungsaustausch mit ausländischen Kollegen. Auf Grund dieser Tatsachen gilt Südafrika seit längerer Zeit als „Atomschwellenmacht“. Es gibt jedoch eine Reihe von Staaten, die diese Bezeichnung auch verdienen.

Die ganze Angelegenheit war ein in erster Linie von der Sowjetunion inszeniertes Theater, dazu bestimmt, für die Anti-Apartheidkonferenz in Lagos einen wirkungsvollen, gewitterschwülen Hintergrund abzugeben. In den westlichen

Hauptstädten durchschaute man die tückische Absicht nicht und schlüpfte flugs in die Rollen, die von den Regisseuren in Moskau entworfen worden waren, anstatt die TASS-Meldung zu ignorieren oder zu bagatellisieren.

Außerdem war es ein Schuß vor den Bug der neuen Afrika-Initiative Frankreichs, die die Sowjetunion irritiert. Frankreich, ein bedeutender Waffenlieferant und Partner der Republik Südafrika in Sachen der friedlichen Nutzung der Kernenergie, dehnte seine diplomatischen Aktivitäten kürzlich auf die „Frontstaaten“ aus. Hinsichtlich Frankreichs war der russische Schritt zunächst erfolgreich, doch ist zu erwarten, daß die Verstimmung zwischen Frankreich und Südafrika bald überwunden ist.

Schließlich muß man festhalten, daß Atombomben der Republik Südafrika weitaus mehr Nachteile als Vorteile bringen würden: Der Empörung und Verurteilung durch die ganze Welt stünde kein praktischer Nutzen gegenüber.

Was also sollte Südafrika mit Atombomben anfangen?

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