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Aufgewärmte Romantik

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Der zur „Konservativen Aktion” konvertierte Exiltscheche Ludek Pachmann meint: „Die Friedensmarschierer bestreiten alles, außer ihren eigenen Lebensunterhalt.” Der deutsche Friedensforscher Theodor Ebert wiederum: „Die Regierungen werden endlich einsehen müssen, daß hinter dieser Friedensbewegung eine Gruppe von politisch bewußt handelnden Menschen steht, die von nirgendwoher unterwandert ist.”

Nachdem ich Pachmanns Worte nie ernst genommen habe, fällt es mir — als Beobachter der Vorbereitungen des Friedensmarsches am 22. Oktober — schon immer schwerer, Theodor Ebert, dem sympathischen Berliner Katholiken, Glauben zu schenken.

Daß der Friede Zündstoff ist, der sich im Zweifelsfall über ideologische Barrikaden hinwegsetzt und fraktionelles Hick-Hack gar nicht erst aufkommen läßt, war , eine träumerische Schlußfolge- ‘rung aus dem 15. Mai 1982, als 70.000 Junge und Alte aus allen Lagern gemeinsam ihren Sternmarsch am Rathausplatz beendeten. Am gleichen Rathausplatz, auf dem eineinhalb Jahre später der KPÖ-Funktionär Walter Bai- er die Friedliebe der moskautreuen österreichischen Kommunisten erläutern wird.

Die aufgewärmte Romantik ist aus dem Friedensplenum — dem offiziellen Organ der österreichischen Friedensbewegung — gewichen. Fronten wurden geschaffen. Die Friedenstaube wird gerupft.

Ein Walter Baier ist zum Angelpunkt der Fripdensdiskussion geworden und erlangt Bedeutung, die ihm gar nicht zusteht. Die ei nen, rund um JVP-Obmann Oth- mar Karas, verdammen ihn: weil er Kommunist ist, weil er nur gegen die amerikanischen Raketen ist.

Baier und mit ihm andere Gruppierungen, die glauben, ihre Fortschrittlichkeit durch Solidarität zu dem aus dem jungbürgerlichen Lager angefeindeten Stalinisten beweisen zu müssen, hak- ken los auf die sogenannten reaktionären Kräfte. Damit passiert genau das, was wir schon aus unzähligen Diskussionen, Veranstaltungen und Zeitungsberich-

ten von früher kennen: Feindbilder werden aufgebaut. ‘

Da fällt mir Friedrich Heer ein: „Es hat in Österreich nie, nie, nie eigenständige Jugenddemonstrationen gegeben, also eine Bekundung eigenen Willens junger Generationen, die nicht ganz, ganz, ganz von außen gesteuert wurden.” Wie recht er hatte.

1Die oberösterreichische Friedensbewegung lud zu ihrem Koordinationstreffen für die Großdemonstration bundesdeutsche Gewissensgenossen aus den gewalt- freien Camps bei Mutlangen ein, die in perfekter Rhetorik die Dramatik der Situation unserer Nachbarn vermittelten und sich in zahllosen Solidaritätskundgebungen für die „Freunde aus Österreich” ergingen.

# Die niederösterreichische Friedensinitiative unter dem Vorsitz des SJ-Sekretärs Gusenbauer hackte in einer fad und unengagiert durchgezogenen Veranstal tung auf Karas & Co herum, ohne zu den wesentlichen Punkten der eigenen Bewegung vorzustoßen.

• Der Grazer Jung-ÖVPler Lo- patka ignorierte seinen Parteifreund Karas und rief mit seiner Organisation auch zur Demonstration in Wien auf, „weil Frieden nicht gegen, sondern nur mit Kommunisten gemacht werden kann”.

Wobei hinter diesem Anliegen der Jugend straff die Führung der jeweiligen Partei sitzt, die den Geldhahn öffnet oder schließt, das Verhalten der Jungpolitiker goutiert oder nicht. Michael Graff hat endlich wieder Grund, auf Helmut Zilk zu schießen, als dieser den Friedensfreunden schulfrei zum Marschieren gibt.

Von der Jungen ÖVP wird eine - „nicht als Gegenveranstaltung zu verstehende” — Gegenveranstaltung, die Menschenkette zwischen der amerikanischen und der sowjetischen Botschaft, veranstaltet. Die JES stellt sich an den Eisernen Vorhang bei Hainburg, „um mit ernstem Blick in den Osten zu schauen und sozusagen eine Mahnwache abzuhalten”.

Ob „Sternmarsch”, „Menschenkette” oder „Ernster Blick”: Jeder hat die besseren Argumente, jeder will sich noch ein bisserl mehr in die Öffentlichkeit schieben. Und keiner denkt daran, daß der Großteil jener passiven Mehrheit, die im stillen mit der Friedensbewegung sympathisiert—oder sympathisiert hat — nichts mehr hören will davon, wer den besseren Frieden hat: Alles wird in einen Topf geworfen, weil die Beteiligten zu zersplittert sind.

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