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August-Schulbeginn statt Jänner-Streß?

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Österreichs Bildungspolitiker kön­nen (noch) Latein. Getreu dem alten Wort „variatio delectat“ liefern sie ein­ander zur Abwechslung derzeit keine Auseinandersetzungen um Gesamt­oder Ganztagsschule, sondern schlicht und einfach zum Thema Ferien.

Der Anlaß dazu ist ebenfalls eine er­freuliche Abwechslung in Österreichs Innenpolitik: ein diskussionswürdiger sachpolitischer Vorschlag von ÖVP- Seite, konkret: Überlegungen des Prä­sidenten des oberösterreichischen Lan­desschulrates, Karl-Albert Eckmayr, zur Schulreform.

Daß aus Eckmayrs umfassenden Re­formvorschlägen (zu Lehrplan, Schul­büchern, Arbeitszeit der Schüler, sinn­vollerer Verteilung der Fächer) just der Punkt Ferienverschiebung solches er­regt hat, liegt an seiner Aktualität. Denn das jüngste Verkehrschaos anläß­lich der Semesterferien zeigte doch deutlich, daß hier längst nicht mehr „Energieferien“, sondern höchstens noch „Energieverschwendungsferien“ stattfinden.

Dazu kommt, daß angesichts besorg­niserregender Entwicklungen in der Schuljugend (Selbstmorde, Drogen­konsum, oder nur sogenanntes „Aus­flippen“) - mögen diese auch vielfach weniger durch die Schule als vielmehr durch zunehmend schlechtere Fami­lienverhältnisse und andere Umstände bedingt sein - alles, was dem vielzitier­ten „Schulstreß“ entgegenwirken will, zu Recht Beachtung Findet.

Daß der Schulstreß im Jänner am größten ist, pfeifen seit langem die Spatzen von den Schuldächern. Denn auf die Erholungspause der Weih­nachtsferien folgen - mitunter noch durch eine Skikurswoche unterbrochen - wenige Wochen voll entscheidender Prüfungen Für das Halbjahreszeugnis. Die folgenden Semesterferien, als Er­holung zu kurz, reißen dann die Schüler wieder aus dem Lernprozeß.

Bei dieser in Elternkreisen weit ver­breiteten Kritik an zu vielen, aber zu kurzen Ferieneinheiten setzt nun Eck­mayrs Vorschlag an: Ende des Seme­sters bereits zu Weihnachten, Anhän­gen der zusätzlichen freien Woche an die Weihnachtsferien. (Dazu ein ver- nünftiger Zusatzvorschlag des Landes­schulratspräsidenten von Niederöster­reich, Anton Sagbauer, Für Westöster­reich: Verlegung der freien Woche vor die Osterferien.)

Der Haken dabei ist, sieht man ein­mal von einem durch ein schlechtes Se­mesterzeugnis verpatzten Weihnachts­fest ab: Um annähernd gleichlange Se­mester zu bekommen, sollte - so Eck­mayr - das Schuljahr bereits zwischen 20. und 25. August beginnen und zwi­schen 20. und 25. Juni enden.

An den Sommerferien wollen aber vor allem sozialistische Schulexperten, allen voran Unterrichtsminister Fred

Sinowatz, nicht rütteln. SPÖ-Schul- sprecher Hermann Schnell hält ein Zeugnis vor Weihnachten Für „Un­sinn“ und lehnt aus klimatischen Grün­den einen Schulbeginn im August ab.

Von der FPÖ neigt Schulsprecher Friedrich Peter dem Eckmayr-Vor- schlag zu, während Verkehrssprecher Harald Ofner das Heil in einer noch stärkeren Staffelung der Ferienzeit nach Bundesländern erblickt.

Für ÖVP-Schulsprecher Hans Katschthaler wird die Debatte über den Eckmayr-Vorschlag momentan „zu vordergründig“ geFührt, es sollte die Gesamt Problematik (Lehrpläne; stünd­liche, tägliche, wöchentliche Unter­richtszeit) diskutiert werden. Er selbst will sich bei seinen Überlegungen „aus­schließlich von pädagogischen Ge­sichtspunkten leiten lassen“.

Eine Verlegung der Ferien, insbeson­dere der Sommerferien, wäre aber na­türlich auch Für andere Bereiche von größter Bedeutung: auf jeden Fall für das Verkehrsaufkommen in Österreich (zu dem - siehe Tabelle oben - aller­dings auch die Ferientermine in unseren Nachbarländern entscheidend beitra­gen) und Für die Fremdenverkehrswirt­schaft, wahrscheinlich aber auch Für die Programmierung von Veranstaltungen (z.B. Festspiele, große Sportereignisse) und dergleichen mehr.

Paul Schimka von der Sektion Frem­denverkehr innerhalb der Bun­deswirtschaftskammer gibt sich zu­rückhaltend: „Wir werden uns Für keine Lösung besonders stark machen. Auf jeden Fall sollte es zu keinen über­stürzten Änderungen kommen.“

Damit trifft er sich mit Eckmayr, der betont, daß eine Änderung „gut über­legt und reichlich diskutiert werden muß“, aber meint, sie wäre „bestimmt von pädagogischen Erfordernissen des Lernens der Kinder mit familienpoliti­schen Gesichtspunkten aus günstig“.

Daß Sommerferien von Mitte Juni bis Mitte August nicht abwegig sind, zeigt ein Blick in den Kasten oben: Rheinland-Pfalz beginnt sogar schon Anfang August wieder mit der Schule, das heiße Jugoslawien immerhin ein paar Tage vor Österreich.

Unterrichtsminister Sinowatz will nun im Frühjahr in einer großen En­quete das Thema Ferien behandeln. Vorerst ist zu beFürchten, daß dort wie­der Parteienstandpunkte aufeinander­prallen, obwohl hier gar nichts durch die Ideologie-Brille zu sehen ist.

Deshalb schon jetzt der Appell: Egal, von wem der ursprüngliche Vorschlag kam, egal, von wem noch gute Zusatz- und Abänderungsvorschläge kommen, Bildungspolitiker aller Lager, ringt um eine vernünftige, pädagogische Lösung und nicht darum, wer für das Prestige seiner Partei hier mehr Rahm abschöp­fen kann!

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