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Christi Einzug in Soweto
Die denkerische und die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Christentum verliefen in ihren Höhe- und Tiefpunkten im Laufe der Kirchengeschichte nicht immer synchron. Die Angst vor der Kunst der „Heiden“ ließ fast keine originellen Symbiosen zustande kommen. Man hatte vergessen, daß die eigene abendländische Kunst selbst die Aneignung und schöpferische Umformung der heidnischen Antike zur Voraussetzung hatte.
Wie Josef Thiel bei einer von Superiorenkonferenz und Missionswerken gemeinsam in St. Gabriel veranstalteten Tagung aus führte, reicht die künstlerische Auseinandersetzung mit den christlichen Symbolen beispielsweise bei den Bakongo in Zentralafrika schon ins 16. Jahrhundert zurück. Gänzlich ohne Übernahme traditioneller religiöser Vorstellungen läßt sich aber eine Inkulturation des Christentums nicht erreichen. Sogar den auf extremste Abgrenzung vom Geisterglauben bedachten Missionaren in Neuguinea blieb, wie Hermann Reiner (Neuendettelsau) erklärte, nichts anderes übrig, als das Wort „beten“ mit „den Zauberspruch sprechen“ zu übersetzen.
Übertriebene Angst vor Synkretismus hat sich also lange Zeit als Hemmschuh einer Inkulturation des christlichen Glaubens besonders in künstlerischer Hinsicht erwiesen. So kann sich der bedeutendste christliche Künstler Indiens, Jyoti Sahi, nicht ungeteilter innerkirchlicher Anerkennung erfreuen, hat er doch als erster auch tantristische Symbole in seinen dynamisch-explosiven Evangelienzyklus eingebaut, der von P. Matthäus Lederle SJ (Poona) vorgestellt wurde. Sahis Bilder stellen eine Ausnahme im künstlerischen Schaffen der indischen Christen dar, die vielfach allzu schnell äußerlich indisierte Nazarenergestalten als Ergebnis einer einheimischen christlichen Kunst zu akzeptieren bereit sind. Erst die jüngere Generation, allen voran Johan Devaraj, erkennt auch die Notwendigkeit einer nachdenklichen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft — eine Entwicklung, die wir auch in Afrika verfolgen können.
Während die traditionelle afrikanische Kunst Leidenschaften nicht darzustellen, sondern sie auszugleichen suchte, entwickelte sich in den schwarzen Stadtgemeinschaften Südafrikas ein ungeheuer expressiver Stil — dunkle, verzerrte Gestalten, voll Anklage und Protest. Hervorragendste Zeugnisse dieser von Theo Sun- dermeier (Heidelberg) behandelten „Township Art“ sind etwa Nathaniel Mokgaris Linolschnitte (Christus, der in Soweto einzieht)
sowie Charles Nkosis Kreuzigungszyklus.
Der Klassiker unter den schwarzen südafrikanischen Bildhauern ist Michael Zondi. Er gehört „über unser Jahrhundert hinaus zu den besten“, wie es die in Südafrika tätige Kunsterzieherin Sr. Maria-Johanna Senn ausdrückte. In der Gestalt eines afrikanischen Minenarbeiters stellt er in einfachster und eindrück- lichster Weise das Gebet des Zöllners „Gott, sei mir Sünder gnädig“ dar.
Schließlich waren es auch die vom indischen Steyler Pater Francis Barboza aufgeführten Tänze nach biblischen Motiven im Stil des Bharata-Natyam, die das Grenzüberschreitende echter christlicher Kunst zum Bewußtsein brachten.
Der Autor ist Mitarbeiter für die Dokumentation bei den Päpstlichen Missionswerken.
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