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CSR -1945

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Die Namen der Verfasser der zwölf Vorträge bürgen dafür, daß die verschiedenen Themen über die tragische Zeit des Kriegsendes sorgfältig bearbeitet sind; der reichliche Apparat von Anmerkungen beweist es. Es ist freilich unmöglich, ein Dutzend von Arbeiten solcher Art zu besprechen, deren Horizont von dem Fall des Römisch-Deutschen Reichs bis zu der „Eingliederung der Vertriebenen in Deutschland” reicht. In einer Rezension ist nuRaum für einzelne Bemerkungen.

Es will uns scheinen, besonderes Interesse knüpfe sich an die Arbeit von Martin K. Bachstein: „Die Politik der Treugemeinschaft sudetendeutscher Sozialdemokraten als Hauptrepräsentanz des deutschen Exils aus der Tschechoslowakischen Republik” — hier geht es also um das höchst unerfreuliche Thema der Beziehungen zwischen Beneš und Jaksch. Auch diese Arbeit läßt die betreffenden, so sehr umstrittenen Ereignisse mehr denn je unerfreulich erscheinen; denn es geht, um es kurz zu sagen, darum, daß beide Staatsmänner gegeneinander unaufrichtig vorgegangen sind; Erbitterung und Entrüstung sowohl der Beteiligten als des grundsätzlich uniformierten Publikums waren die natürliche Folge.

Ein anderes Thema behandelt „Die Einflußnahme des Dritten Reiches auf die Judenpolitik der slowakischen Regierung” von Ladislav Liipscher. An seine Arbeit könnten sich allerhand Erwägungen über die Frage knüpfen, inwieweit die „faschistischen” Regierungen in den Völkern Rückhalt hatten und inwieweit — darüber wird ein idealistischer Demokrat sich ungern Gedanken machen! — gerade die wirkliche Volkstümlichkeit gewisser Bewegungen häßliche Dinge mit sich brachte. Der Tatbestand in der Slowakei ist dabei klar genug — obwohl nachher ln parteilich zurechtgemathten Darstellungen alles verdunkelt wurde. Kurz gesagt, hier wirkte es sich aus, daß das slowakische Volk in seiner Bildung vielfach zurückgeblieben war — und Hlinka’s Volkspartei das Volk, wie es eben war, vorstellen und gewinnen wollte. Dem primitiven, wirtschaftlich hilflosen und unreflektiert-klerikalen Dorfbewohner war es also zunächst einmal durchaus willkommen, wenn der jüdische

Krämer und Schenkwirt die Feindschaft des slowakischen Staats zu fühlen bekam; daraus aber ergaben sich unvermeidliche Folgen. Der verantwortliche Klerus, der Episkopat, erhob seine Stimme für die Menschenrechte der Judenschaft; auch der Dorfbewohner selbst wollte den Dorfjuden allenfalls geprügelt, nicht aber — mit Frau und Kind —ermordet sehen. Daraus wieder ergab sich die Enttäuschung der Nationalsozialisten über ihren Schutzstaat und schließlich die Bereitschaft zum „Slowakischen Nationalaufstand” …

Zu der Arbeit von Slapnitoka: „Verfassungsprobleme der Tschechoslowakei im Jahr 1945” hätte im einzelnen der Schreiber dieses, schon als Augenzeuge, allerhand Beobachtungen; doch auf Einzelheiten einzugehen, ist eben unmöglich. Und so wollen wir damit schließen, daß dieser Band eine hochwillkommene Ergänzung zu der reichlichen, aber ganz besonders unobjektiven bisherigen. Literatur über das Jahr des Kriegsendes, der Befreiung und ihrer enttäuschenden Ergebnisse darstellt.

DAS JAHR 1945 IN DER TSCHECHOSLOWAKEI. Internationale, nationale und wirtschaftlichsoziale Probleme. Herausgegeben von Karl Bosi. R. Oldenbourg, München-Wien. 316 Schilling.

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