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Das beladenste Menschenwort

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Durch das zweite Gebot soll der Name Gott vor Mißbrauch geschützt werden. Martin Buber bezeichnet das Wort Gott als das „beladenste aller Menschenworte":

,JDie Geschlechter der Menschen haben die Last ihres geängstigten Lebens auf dieses Wort gewälzt und es zu Boden gedrückt; es liegt im Staub und trägt ihrer aller Last. Die Geschlechter der Menschen mit ihren Reli-gionsparteiungen haben das Wort zerrissen; sie haben dafür getötet und sind dafür gestorben; es trägt ihrer aller Fingerspur und ihrer aller Blut."

Und trotzdem verliert dieses Wort nicht seine Würde. Martin Buber fährt fort: „Wenn aber aller Wahn und Trug zerfällt, wenn sie ihm gegenüberstehen im einsamsten Dunkel und nicht mehr er, er sagen, sondern Du, Du seufzen, Du schreien, schreien sie alle das eine, und wenn sie dann hinzufügen Gott, ist es nicht der wirkliche Gott, den sie alle'anrufen, der eine, lebendige Gott der Menschenkinder? Ist nicht e% es, der sie hört? Der sie — erhört? Und ist nicht eben dadurch das Wort ,Gott', das Wort des Anrufs, das zum Jtfamen' gewordene Wort, in allen Menschensprachen geweiht für alle Zeiten?"

Jede Zeit hat ihre eigene Weise, den Namen Gott zu mißbrauchen. Dies zeigt sich auch darin, daß dieses Gebot schon im Alten Testament in den verschiedenen Zeiten unterschiedlich interpretiert wurde.

Jeder, der eigenmächtig und eigensüchtig über Gott verfügen möchte, wer sich auf Gott beruft, um seine eigenen Interessen durchzusetzen, der verfehlt sich gegen das zweite Gebot.

,JLuch die Kirche ist vor dem Mißbrauch des Namens Gottes nicht geschützt. Im Gegenteil — dafür ist sie besonders anfällig. Allzuleicht neigt sie dazu, sich selbst und ihr eigenes Tun in Geschichte und Gegenwart mit dem Willen Gottes gleichzusetzen und das eigene Wort als Gottes Wort auszugeben" (A. Exeler).

Dem zweiten Gebot widerspricht auch das Fluchen. Es ist eigenartig, daß der Mensch gerade dann, wenn er von Zorn und Unversöhn-lichkeit erfüllt ist, versucht ist, den Namen Gottes auszusprechen.

Das Gebot: Du sollst den Namen Gottes nicht eitel nennen! kann für uns auch heißen: Du sollst Gott nicht verniedlichen, nicht verharmlosen, du sollst den Sinn und das Gespür für Gott als den ganztanderen, der alles menschliche Begreifen übersteigt, nicht verlieren.

Achter Teil einer Serie über die Lebensrelevanz der Zehn Gebote.

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