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„Das Hohelied”
Am 10. Mai feierte Rudolf Henz seinen fünfundsiebzigsten Geburtstag und das Institut, dem er den größten Teil seiner Arbeitsund Schaffenskraft gewidmet hat, der heutige — aus der „RAVAG” hervorgegangene — ORF bereitete ihm durch eine Reihe von Veranstaltungen eine würdige Geburtstagsfeier. Das Fernsehen strahlte im Zweiten Programm die Sendung „Zu Gast bei Rudolf H enz” aus, die jenen Raum sichtbar machte, aus dem der schöpferische Mensch seine innersten Kräfte gewann: sein Heim, seine Familie, den Back-ground seiner vielseitigen Leistung. Das Erste Programm brachte dann ein Ges-präch Doktor Dolf Lindners mit dem fünf-undsiebzigjährigen Dichter, das sich zwischen den Polen einer Autobiographie „Fügung” als Glaube an die göttliche Führung des eigenen Lebens, „und Widerstand” gegen die totalitäre Bedrohung unserer Zeit bis zu diesem Augenblick bewegte. Zeigte sich schon in diesem als Einleitung zur darauf folgenden Uraufführung des Fernsehspiels „Das Hohelied” gedachten Gespräch die Zeitverbundenheit des Dichters, so bewies uns das Fernsehspiel erneut seine jugendliche Spannkraft.
Rudolf Henz nimmt in diesem Spiel die heute so umkämpfte Problematik des Zölibats auf und zeigt sie uns an einem Einzelschicksal. Es geht um die Dialektik von bloßem Menschentum und göttlicher Auserwählung zum Priestertum, um die Grenzsituation von Recht auf volles Menschentum — auch in der Ebene des manichäisch verteufelten Sexualtriebs — und der Opfer fordernden Berufung zu einem Priestertum, das in seiner Überspannung zu eben den Folgen geführt hat, die heute von den fortschrittlichen Theologen aufgezeigt werden.
Die Bedeutung und Größe dieser Dichtung, die einen jungen Priester auf der Rückkehr in den Laienstand zeigt, die ihn das „Hohelied” der ehelichen Liebe singen läßt, liegt in der gerechten Verteilung der Argumente, in den bluterfüllten Personen, die diesen „Positionendialog” innerhalb der Kirche darleben und erleiden. Dabei fällt manch warnendes Wort für beide Seiten, und die Angst des Dichters um eine Kirche ohne Priester, die vielleicht erst dann den Forderungen von Zeit und Welt gerecht werden kann, wenn sie eine einzige Liebesgemeinschaft ohne Hierarchie und unmenschliche Forderungen geworden ist, schwingt sehr deutlich in den einzelnen Szenen dieses Spiels mit.
Hermann Lanske hat die Fernsehbearbeitung zwar recht konventionell (woran auch die einfallsarme Kameraführung Schuld trug), aber doch eindringlich genug inszeniert, so daß sie den Zuschauer ergriff. Ein hervorragendes Schauspielerteam — Christine Buchegg er und P e t er U r ay, Fritz Grieb, Günther Haenel und Fritz Lehmann — unterstützte ihn dabei und verlieh der Uraufführung jenen Geburtstagsglanz, der dem Dichter gebührte.
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