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Der Fall als Prinzip

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Der Prozeß gegen vier Berufssoldaten in Krems geht nun in die nächste Instanz. Bis dahin sollten Diskussionen über Schuld und Un-WJWid^dMb AngaUagten WftWphensÄ werterweise unterbleibe?), di wohl die Beweisführung des Krem-'“ ser Gerichts mehr Fragen offengelassen als beantwortet hat.

Schon in der Verhandlung fiel auf, daß der Fall Wandl, trotz des erwiesenen Zusammentreffens von außergewöhnlichen Faktoren, nicht ein Einzelfall sein dürfte. Der sogenannte Hitzeerlaß etwa, sagte ein Angeklagter, sei in Mautern bei der Ausbildung noch nie angewandt worden; Sanitäter habe man bei der Ausbildung nie mitgehabt; auch Funkgeräte fehlten, um rasche Hilfe herbeizuholen. Man hat schlicht und einfach mit der Möglichkeit, daß ein junger Mensch zusammenbrechen und sterben könnte, nicht gerechnet.

Die Unteroffiziere lassen mm hören, daß es künftig kaum möglich sein wird, vorschriftsmäßig auszu- ; bilden. Auch fürchtet man— sicher berechtigt —, daß sich nur noch wenige für den Job des Ausbilders mel-. den 'werden. Ras mag stirrftneo^Daß. ' das,i|iqjjit eto&SByiegt jedoch BS-; derefiTKnCTenvifi.erster Linie 'fYch-ten sich die Fragen an den langjährigen Ausbildungschef des Bundesheeres, Brigadier Karl Lütgendorf. Als nunmehriger Minister hat er es nämlich in der Hand, die Ausbildung entscheidend zu reformieren.

Nach dem Kremser Prozeß stellt sich vorerst die Frage, ob das Ausbildungsziel bisher richtig war. Wohl versuchte der Verteidiger des Ausbilders Wallechner an seinem persönlichen Beispiel aus dem Ersten Weltkrieg zu beweisen, daß die Ausbildung nicht hart genug sein könne, um eine Überlebenschance zu bieten. Verteidiger Stern wurde jedoch ausgebildet, um wenige Wochen später an der Front zu stehen. Ein Maturant etwa sitzt heute nach drei Monaten Ausbildung ein Jahr lang im Hörsaal einer Hochschule. Was er in den drei Monaten an Kondition erworben hat, ist durchwegs in wenigen Wochen Studium wieder dahin. Muß also die körperliche Belastung im Vordergrund der Ausbildung stehen?

Daß der geteilte Wehrdienst für Maturanten ehestens abgeschafft gehört, war bereits vor dem Kremser Prozeß klar. Nachdem seine Mängel in diesem Verfahren nochmals deutlich aufgezeigt wurden, müßte Minister Lütgendorf endlich reagieren.

Man wird der Heeresführung sicher nicht vorwerfen, daß sie versucht hat, die Angeklagten von Krems gegen Pauschalvorwürfe zu verteidigen. In der Frage der Dienstaufsicht aber hat der Armeekommandant bereits vor dem Fall Wandl ein kjbjft UifclU gefällt: es wurde in Krems, bestätigt. Die Dienstaufsicht im Heer ist miserabel. Das Schwergewicht der Arbeit liegt falsch: es liegt bei der Verwaltung und nicht bei der Ausbildung und der Menschenführung. Dazu trägt sicher auch die Ausbildung der Offiziere und Unteroffiziere bei.

Ist es nicht erschreckend, wenn ein Hauptmann zugeben muß, daß er in seiner bisherigen Ausbildung weder in Menschenführung, Truppenpsychologie, Ausbildungsmethodik noch in Erster Hilfe geschult wurde?

Maturanten auszubilden, war immer schwer. Dazu allerdings nur Unteroffiziere einzusetzen (wie in Mautern), muß von Übel sein. Ein Maturantenzug müßte prinzipiell von einem Offizier geführt werden. Dies mag bei der Offiziersknappheit der letzten Jahre nicht immer leicht gewesen sein; aber es wäre zu überlegen, ob nicht die Maturantenausbildung zumindest teilweise von Offiziers- und Reserveoffiziersanwärtern geführt werden könnte. Beiden Gruppen mangelt es ohne-i dies an praxisbezogener Ausbildung. So könnte . man das ewige Spannungsverhältnis zwischen Maturanten und dem Unteroffizier beseitigen.

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