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Der Geist aus der Flasche

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Unzufriedenheit macht sich breit. Uberall ist Murren zu hören, meist aus weiblichem, immer öfter auch aus männlichem Mund. Und wenn es auch schmerzlich zu sagen ist, so muß der Wahrheit doch eine Gasse geöffnet werden: allem Anschein nach muß die Schuld für den genannten Unmut der Werbung zugewiesen werden.

Wiewohl von vielerlei Enttäuschungen heimgesucht, neigt der Mensch ja doch dazu, Gedrucktem sowie über Radio, Film und Fernsehen Bekanntgemachtem immer wieder Glauben zu sehenken und seine Erwartungen, im Besonderen wie im Alltäglichen, daran zu orientieren.

Also ist es der Hausfrau nicht zu verdenken, daß sie, in fürsorglichem Familiensinn, die soeben aus der Waschmaschine geräumten Dessous des Angetrauten durchs Sonnenlicht beäugend und entsetzt die Reste des letzten Rotweinspritzers darin entdeckend, der aus dem Vorder- oder Hintergrund erschallenden Stimme entbehrt, die sie auf die Verwendung des falschen Waschmittels bestimmt, doch liebevoll hinweist und ihr alsogleich das einzig richtige Präparat vor die entzückten Augen stellt.

Ebenso zu verstehen ist ihre ungehaltene Nachbarin, die, als grüne Witwe jegliche Ansprache vermissend, eine solche suchend und daher das heimatliche WC betretend, keine Klobrille sich mund-förmig öffnend erblickt, die lobende Worte über das zuletzt verwendete und nach Zitronen duftende Scheuermittel verströmt.

Die rauhe Wirklichkeit ist aber noch viel unbarmherziger, als dies andeutungsweise bis hierher beschrieben werden konnte.

Weder trällert ein aus glänzenden Kacheln grinsendes Reinigungsphantom noch ihr eigenes Spiegelbild ein fröhliches Duett mit der pflegenden Hausmutter, noch erscheint ihr aus der jüngst gekauften Bettzeugtruhe ein strammer Tischlergeselle, der ihr bei der einfachen Handhabung des Möbels die Finger führt, vom Streichquartett ganz zu schweigen, das sie erwartungsgemäß beim Zubereiten des Familienmenüs untermalen hätte müssen, da sie bei Auswahl und Erwerb der

Käse und Aufstriche doch die mit diesen Begleitumständen verbrämten Marken bevorzugt hat.

So begibt sich die frustrierte Konsumfrau denn aus ihren vier bis achtundzwanzig Wänden hinaus ins Freie und läßt Handtäschchen fallen, eins um das andere, doch als sie sich danach bückt, ist Mister Wonderful, nach muskelumspielendem Badezusatz duftend, nicht helfend zur Stelle, ja nicht einmal Flocki erscheint schwanzwedelnd und apportie-rend, obwohl sein Hundefutter dankversprechend in Frauchens Einkaufsnetz baumelt.

Währenddessen plagt sich der computergestreßte Gemahl mit kokosgefüllten Zwischendurchriegeln in seinem Büro herum, auf jenen jeden Augenblick eintreten müssenden Moment wartend, da das weibliche Personal des gesamten Kontors in Bikinis von den Schreibtischen springt und ihn, den nur Lendengeschürzten, zu polynesischen Rhythmen in die vom Fenstersims zum Aktenschrank gespannte Hängematte bettet.

Immer noch nicht aufgebend, verschließt er sich im nahen Waschraum und schäumt Schultern und Hüften mit Luxusseife ein, doch der erwartete Sprung in gischtende Meereswogen bleibt aus.

Rasch zerbeißt er hierauf eine Zehe Knoblauch und wäre glücklich, jetzt aus dem Spiegel wenigstens einen basiliskenhaft gräßlichen Dämon ihn anstarren zu sehen, doch nicht einmal die Leuchtstoffröhre des Sozialraums verfärbt sich grünlich.

Seine letzte Hoffnung ist beim Nachhausefahren ein notwendig gewordener Tankstellenaufenthalt. Aber durch den wider Erwarten nicht transparenten Schlauch der Zapfsäule sausen weder Blümchen noch rosige Wölkchen, noch atmet er beim Weiterdümpeln die Tannenluft der vor ihm stauenden Auspuffrohre.

Daheim schließen endlich Mann und Frau, ent- wie getäuscht, einander in die Arme, lassen jedoch rasch wieder voneinander ab, da sie sich, wie sie entsetzt erkennen müssen, nicht einmal auf die garantierte Wirkungsdauer ihrer Zahnpaste verlassen können.

Als sie ihm nach dem gemeinsamen, ereignislosen und ohne jede Erscheinung von Toreros, Eskimos oder Flamencotänzern gewürzten Abendessen hoffnungsfroh ein Schokoladedessert zwischen die Zähne steckt, er aber unverwandt der Alte bleibt und nicht einmal die Klänge der Haffner-Symphonie aufrauschen, beschließen sie und die zufällig herbeieilenden Nachbarn samt deren Kindern, am nächsten Tag auf einen Sprung, eventuell zur Aufnahme eines Kredits, gemeinsam in die nächste Bank zu lustwandeln.

Es wäre doch gelacht, wenn man dort nicht wenigstens einem sprechenden Pferd begegnen würde.

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