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Der Luftgeschäfte-Advokat

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Man kann nicht umhin, sich zu fragen, ob es in dem Prozeß, der dieser Tage von der 25. Abteilung des Kopenhagener Stadtgerichtes gegen den Steuerbetrüger und Führer der sogenannten „Fortschrittspartei”, den Advokaten Mogens Glistrup (48), eingeleitet worden ist, nicht um mehr geht als um eine lange Reihe raffiniert ausgeklügelter Winkelzüge, die einzig und allein den Zweck hatten, den Kaiser um das zu betrügen, was — schon nach dem Buch der Bücher — des Kaisers ist. Die Gründung von 2706 Luftgesellschaften, eine Reihe von anderen Handlungen, die vom Staatsanwalt als Betrügereien bezeichnet werden, die verabsäumte Einzahlung von Aktienkapital in der Höhe van etwa 27 Millionen Dänenkronen, nicht einbezahlte Kapitalerhöhungen im Betrage von 44,8 Millionen, eine Steuerhinterziehung von 2,3 Millionen zu eigenen Gunsten und von über 2 Millionen zugunsten von Geschäftsfreunden — alles das durch Jahre, sozusagen in aller Öffentlichkeit durchgeführt — weist das nicht darauf hin, daß in dieser Gesellschaft wirklich etwas faul ist, wahrscheinlich nicht nur in Dänemark, sondern auch anderswo?

Vier Stunden dauerte die Verlesung der Anklageschrift; auf 140 Seiten wiederholen sich die Bezeichnungen „scheinbare Transaktionen”, „Luftgeschäfte”, „offenbar in betrügerischer Absicht”. Vier bis sechs Jahre beträgt das Strafausmaß, das in solchen Fällen verhängt werden müßte. Acht bis zwölf Jahre Gefängnis drohen Mogens Glistrup, da bei einer Verurteilung eines Advoka ten vom Range dieses Parteiführers eine Verdoppelung des Strafsatzes ausgesprochen werden kann. Doch kein Mensch rechnet damit, daß Glistrup ins Gefängnis wandern wird, sehr wenige glauben überhaupt an eine Verurteilung, zu verwirrend sind hier die Fäden gesponnen worden.

Es ist unmöglich, im Rahmen eines Zeitungsberichtes alle Anklagepunkte aufzuzählen. Ein eben herausgekommenes Buch, „Glistrup vor Gericht”, kann auch auf 180 Seiten gerade nur eine Einführung zu diesem Prozeß geben. Die Hauptlinie der Betrügereien war, durch zahlreiche Gründungen von Gesellschaften, die nur auf dem Papier standen, durch vorgebliche Aufnahme von Krediten, vorgebliche Verrechnung von Kapitalzinsen und ähnliche Winkelzüge so zu manipulieren, daß auch auf Einkommen nahezu unbegrenzter Höhe keine Steuern fällig wurden. Bedenkenlose und schrankenlose Bereicherung auf Kosten der Allgemeinheit — so stellt es der Staatsanwalt dar. Weitestgehende Anwendung von keinem Gesetz verbotener Abschreibungsmethoden — meint der Angeklagte, der jedoch außerdem der Meinung ist, daß es hier den Vertretern des Staates gar nicht um eine Steuersache geht, sondern um den Versuch, einen unbequemen politischen Kritiker aus dem Wege zu schaffen.

Es geht schließlich auch um die These Glistrups, daß der Staat von heute auf die Lebensgestaltiung des einzelnen Menschen einen so großen Einfluß genommen hat, daß dieser einzelne Mensch das Recht haben müsse, sich gegen die ständige Kontrolle und Bevormundung mit allen Mitteln zu wehren. Er zitiert eine Art van Notwehrrecht gegenüber dem Moloch Staat. Behauptet er ja auch, daß 90 Prozent des jetzigen

Beaimtenapparates abgeschafft werden könnten, ohne daß dies die Existenz der Nation bedrohen würde. Auch die kostspielige Landesverteidigung mit allen ihren nutzlosen Generälen und Stäben will Glistrup auflösen, da — so meint er — dieser ganze Apparat nicht nur eine Unmenge Geld kostet, sondern auch als Instrument der Unterdrückung gegen die Staatsbürger mißbraucht werden kann. Im Falle einer Bedrohung von außen genügt nach Glistrups Meinung ein einfacher Telephonanruf, der dem Angreifer drei Worte mitteilt: „Wir ergeben uns!” und das zur Sicherheit in englischer und in russischer Sprache…

Glistrup hatte es mitunter schwer, für seine vielen Gesellschaften einleuchtende Namen zu finden. So gab es unter ihnen eine „AG zur Verwertung von Regenschirmen”, eine andere Gesellschaft nannte er „AG für

Kamel-Importe”. Als die Behörde diesen Namen nicht registrieren wollte, änderte er den Titel kurzerhand auf „AG für Kaneel-Import” und erreichte die Anerkennung. Ka- neel ist nämlich, wenn es einer nicht wissen sollte, die Rinde eines indischen Gewürzbaumes.

Während des ersten Verhandlungstages zeigte sich Glistrup weder erregt noch irgendwie interessiert. Er las eifrig in einem Buch, das den Titel trug „Die Tyrranei der Institutionen”. Sein Verteidiger erklärte das Gericht für unzuständig und verlangte ein Geschworenengericht, da es sich hier um einen Versuch handle, einen verdienten und beliebten Politiker mundtot zu machen. Das Gericht war gegenteiliger Meinung. Und so wird der Streit weitergehen — möglicherweise vier Jahre larue oder noch läneer.

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