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Die Plauderer vom Küniglberg

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Manchmal ist gerade Feiertag oder eine Sendung platzt wegen der Absage wesentlicher Gäste (wie beim geplanten Club zur Verschandelung von Salzburg). Aber sonst wird im Fernsehen seit einem Jahr jeden Dienstag und Donnerstag bis tief in die Nacht hinein geplaudert, durch das nicht festgelegte Ende gelegentlich im zeitlichen Ausmaß einer Wagner-Oper.

Geplaudert, nicht diskutiert! ZiB- 2-Chef Kuno Knöbl versteht den Club 2 keineswegs als „Diskussion“. Ihm geht es um ein zwangloses Sich- Unterhalten, um eine „Entritualisie- rung“ des Fernsehens, um ein Wegkommen vom starren Schema einer Diskussion mit autoritärem Glockenschwinger, Wortmeldungen und Disziplinierung allzu vorlauter Diskussionsteilnehmer (weshalb in manchen Club-2-Sendungen alle durcheinanderreden und vornehme Zurückhaltung dazu führen kann, daß die meist weniger zimperlichen und häufig zahlreicher vertretenen Linken sich durchsetzen). Besonders am Herzen liegt Knöbl der Live-Charakter der Sendung - ein Programm soll über den Abend hin „geschehen“, nicht aus der Konserve kommen. Der Mensch soll im Mittelpunkt stehen, weil er für Knöbl „dem Bildschirm eigentümlicher ist als eine Landschaft oder die große Bühne“. Wer (Jen Club über Henriette von Schirach gesehen hat, weiß, daß die Sendung auch zum menschlichen Drama werden kann, fern jeder herkömmlichen Diskussion.

Was bezweckt überhaupt der Club 2? Knöbl sieht es als klassisches Mißverständnis an, zu sagei), es komme nichts dabei heraus und es werde nur stundenlang herumgestritten. Der Club kann kaum Einigung erzielen, wo die Fronten verhärtet sind, ergänzt sein Mitarbeiter Dr. Peter Huemer: „Er will nur interessante Themen aufgreifen, ins Gespräch bringen, den Leuten die verschiedenen Argumente für und wider bewußtmachen, sie zum Mitdenken und Weiterreden über ein Thema anregen.“ Es gibt einen Gastgeber und Gäste. Die Gäste sollen sich als die Menschen geben, die sie sind, nicht als Rollen. Tatsächlich hat - so Knöbl - fast jeder Clubgast, mag er auch noch nie im Fernsehen gewesen sein, nach einer Viertelstunde vergessen, daß er vor Kameras sitzt.

Wer bestimmt Themen, Gastgeber und Gäste beim Club 2? Das letzte Wort hat grundsätzlich die ZiB-2-Re- daktion. Die im Laufe der Zeit vorgeschlagenen Themen landen auf einer Liste, die Themenfriedhof oder Fundgrube werden kann. War schon längere Zeit ein Club zum Kulturbetrieb geplant, so konnte man, als es zur Herrmann-Karajan-Affäre kam, schnell in medias res gehen. Man trug sich auch schon länger mit dem Gedanken an einen Weltraum-Club und griff zu, als prominente Weltraumexperten sich gerade in Prag aufhielten. Heute hütet man sich mehr als früher, Clubs zu langfristig vorzuplanen, einer von vier Club-Terminen wird immer möglichst lange für ein aktuelles Thema freigehalten.

Natürlich kommen bisweilen auch von den Gastgebern Themenvorschläge - besonders von Günther Nenning, wie zu erfahren war. Meist hat man aber zuerst das Thema und sucht dann erst einen geeigneten Gastgeber. Um keine Stars zu züchten, besteht ein größerer Kreis von ständigen Gastgebern. Am häufigsten (19mal) konnte bisher Günther Nenning, der aus seiner persönlichen (linken) Meinung nie ein Hehl macht, Gäste im Club begrüßen, gefolgt von Jens Tschebull (18), besonders bei Wirtr Schaftsthemen bevorzugt, Dieter See- franz(lO), der am ehesten versucht, die Rolle des uninformierten, fragenden Zusehers zu spielen, dem vor allem ta- ges-, Wissenschafts- und bildungspolitische Themen präsentierenden Franz Kreuzer (7), Kuno Knöbl (7), Adolf Holl (4), Peter Pirker (3), Günther Ziesel (3) und Horst Friedrich Mayer (2). Zur Leitung eines Clubs brachte es neben vielen anderen auch eine Dame: Senta Berger.

Die Gäste werden von der Redaktion eingeladen, zum Teü natürlich auch auf Vorschlag des Gastgebers. Den Rekord von vier Auftritten im Club hielten nach einem Jahr gemeinsam der Arzt Werner Vogt und „Profü“- Herausgeber Peter Michael Lingens. Hans Pusch, Sekretär von Unterrichtsminister Sinowatz, kam dreimal, eine ganze Reihe von Leuten, vor allem Politiker, Journalisten, Fachleute und Interessenvertreter, zweimal, darunter drei Frauen: Ingrid Leodolter, Ar- lette Leupold-Löwenthal und Christine Nöstlinger.

Mit einigem Stolz registriert Kuno Knöbl die zahlreichen Reaktionen auf Club-Sendungen, vor allem auch aus Deutschland. In Österreich, wo die Zahl der Telephonanrufe am meisten aussagt, gab es anfangs stets über 500, beim Schirach-Club sogar über 1000, die sich auf die folgenden Tage verteilten, denn pro Abend können die Telephonistinnen maximal 400 Anrufe bewältigen. Knöbl rechnet mit durchschnittlich 200.000 Zusehern, darunter vor allem Nachtarbeiter und spät nach Hause Kommende aus höheren Bü- dungsschichten, aber auch Rentner, wie viele Zuschriften beweisen.

Neben dem Schirach-Club lösten besonders die Themen „Mißwahlen“ und „Homosexualität“ große Reaktionen aus, nach den Terror-Gesprächen waren die Zeitungen voll mit Kommentaren. Oft standen Wirtschaftsund Gesundheitsfragen, Zeitgeschichte und Kultur auf dem Programm, weniger hohe Politik. Sehr niveauvoll war hier „Die kleine österreichische Ideologie-Debatte“ mit Busek, Fischer, Matzner und Schilcher. Als beste Sendung stuft Knöbl den Indianer-Club ein - nicht nur ein Gespräch, sondern eine ganze Dokumentation mit Firmen und Ausstellungsobjekten.

Daß im Club über „Gott und die Welt“ geredet wird, stimmt nicht, jedenfalls nicht wörtlich. Uber die Welt wird wesentlich mehr geredet als über Gott Uber Sex wesentlich mehr als über Liebe. Uber Geld mehr als über Probleme wie Armut Das Religiöse bleibt meist ausgeklammert, Teilnehmer aus kirchlichem Bereich sind selten, und noch seltener sind sie erstklassig. Begnügt man sich mit nicht mehr aktiven Kaplänen wie Adolf Holl oder Herbert Berger? Ursache für die Unterrepräsentierung der Katholiken mag der Zweifel sein, ob religiös relevante Themen in diesem Rahmen überhaupt besprechbar sind. Bei der relativ großen meinungsbüdnerischen Komponente des Clubs sollte aber die Kirche wohl mehr darauf dringen, daß sie mit ihren besten Leuten - die in diesem Fall vor allem beredt und telegen sein müßten - dort vertreten ist, wenn entsprechende Themen auf dem Programm stehen.

Änderungen in der Zukunft? Wahrscheinlich wäre eine Teilnehmerzahl von maxjmal fünf bis sechs (inklusive Gastgeber) ideal. Knöbl könnte sich vorstellen, daß der Club gelegentlich am Samstag ausgestrahlt wird, weil größere Zuseherzahlen zu erwarten wären, als Kontrast zum Nachtfilm in FS 1. Auch eine etwas frühere, gleichbleibende Beginnzeit wäre denkbar. Vor 21 Uhr oder gar bei einer Wiederholung würde der Club-Charakter aber sicher verlorengehen. Unbedingt aufrecht bleiben müßte das offene Ende.

Bestimmt gibt es noch Verbesse- rungsmöglichkeiten. Auf jeden Fall hat der derzeit eher linkslastige Club 2, als eine mit geringen ökonomischen und redaktionellen Mitteln machbare Sendung, Elemente, die Modelle für Sendungsformen der Zukunft sein könnten.

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