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Duell der Worte

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Zehn Jahre Club 2. Eine der provozierendsten Sendungen des ORF verliert vom Glanz der frühen Jahre, Die FURCHE präsentiert zwei Stellungnahmen zum Jubiläum.

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Zehn Jahre Club 2. Eine der provozierendsten Sendungen des ORF verliert vom Glanz der frühen Jahre, Die FURCHE präsentiert zwei Stellungnahmen zum Jubiläum.

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In der Jubiläumsfestschrift, welche die Redaktion des Clubs herausbringt, reitet Andre Heller eine Attacke gegen die heimische Presse, um die Wichtigkeit der Institution zu untermauern. Unsere Zeitungen wären nicht einmal mehr auf dem Niveau ihrer Redaktionen, sie hätten bereits jenes ihrer Inserenten erreicht...

An dieser provokanten Aussage ist viel Wahres. Der Österreicher mit angezüchtetem Wohlstandsbauch scheut auch den geistigen Waffengang; die Imagekrise ist zu einem guten Teil auf diesen Umstand zurückzuführen. Der Erfinder des „falschen Wohnzimmers“, in dem richtige Menschen und nicht Menschendarsteller auftreten sollen, ist der einstmals passionierte Abenteurer Kuno Knöbl — nicht von ungefähr ein früherer Kabarettist.

Das Fernsehen ist jene Einrichtung, die den Menschen denaturiert, sagt Peter Huemer, Leiter der Clubredaktion. In den Fau-teuils unter den schummrigen Lampen, bei Mineralwasser, Saft und Knabbereien, schnallen die meisten Leute, Prominente wie unbekannte Leute, ihr Alltagskorsett ab und halten zur Lust oder zum Ärgernis der Zuhörer mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg der Angst, es könnte schiefgehen.

Der Club, positiv betrachtet, ist ein Experimentierfeld des radikaldemokratischen Anspruchs. Reden dürfen sie. alle, zuweilen auch durcheinander. Es dürfen außer erklärten Rassisten und offensichtlichen Sympathisanten von Mord und Terror und aktiven Verbrechern alle erscheinen, die das gesellschaftliche Spektrum ausmachen. Dies bedingt die Provokation und die Konfrontation.

Hubert Feichtlbauer bekam als Gastgeber einen vorgeblich abgesprungenen Neonazi in die Runde gesetzt. Dieser Mann erwies sich als Trojanisches Pferd. Er machte hemmungslos Propaganda für die Braunen. Und wer erinnerte sich nicht an eine gewisse Nina Hagen, welche mit loser Zunge und eindeutigen Fingerzeigen einen Skandal provozierte, über den der sensible und begabte Dieter Seefranz stürzte.

Das Publikum hatte den subjektiven Eindruck, nach dem „Skandal“ wäre der Club nicht mehr so gut und frisch. Bis der „Vater der Wasserstoffbombe“, Edward Teller, und der bundesdeutsche Atomkritiker Freimut Duve aufeinandertrafen und weit über Mitternacht hinaus stritten. Eine mit dabeisitzende Mutter vergoß Tränen über den überzeugten Atomrüstungsbefürworter. Es war eines der gespenstischsten Dialogdramen abseits einer Theaterbühne.

In diese Reihe gehört wohl auch das Gespräch zwischen Rudi Dutschke und Daniel Cohn-Ben-dit, in dem radikale Träume, nach einer besseren Zukunft, radikale Phrasen und simple deutsche Kraftsprüche zu einer prickelnden Mischung wurden, die auch um drei Uhr morgens noch perlte.

Der Club ist so gut wie seine Gäste und seine Gastgeber. Nicht nur Peter Huemer bedauert, daß er Günther Nenning und Freda Meißner-Blau an die Politik verlor. Auch ein mehrmaliger Gast, die Journalistin Martha Halpert, vermißt den grünen Roten, der als „agent provocateur“ die Gespräche anheizte. Bei Nenning verschwamm die Grenze zwischen Zustimmung und Ärgernis, er war ein Herausforderer der Unkon-ventionalität.

Peter Huemer: „Ich würde ihn mit Handkuß nehmen. Politische Uberzeugungen sind eine Seite, Originalität und Intellektualität eine andere. Das gilt in besonderem Maße auch für Freda Meißner-Blau. Es werden sich bestimmt einige Zuschauer schwer tun, der eloquenten Dame in all ihren persönlichen Ansichten zu folgen. Unbestritten ist ihre Kunst, die Leute zu animieren. Der derzeitige Gastgeberstar ist zweifellos ein renommierter Filmkünstler: Axel Corti zählt zu den Favoriten des Chronisten.

Wer der Meinung ist, im Fernsehen sollen keine bunten Vögel, Linke, Homos und Lesben, Prostituierte, Zuhälter und Atheisten ihre Meinung kundtun dürfen, der verkennt die .Abbildungspflicht“ des Mediums, dessen Kriterium nur im Wie und nie im Was liegen kann.

Der Club 2, zuweilen das anregendste und aufregendste öffentliche Ärgernis des ORF, wirkte im ganzen deutschen Sprachraum innovativ. Der Club erhielt die Jahrespreise der „Münchner Abendzeitung“ und der „tz“, einen Preis der Psychiatrie, für die Rettung einer Lehrerin aus den Klauen derselben. Der Club war ein Sprachrohr von Wissenschaft, Forschung und eine Kanzel vieler Minderheiten. Er muß daher alle „Wenden“ überdauern.

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