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Die Welt ist in Ordnung

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Wer daran zweifelt, daß an unse- rem Planeten noch irgendetwas zu reparieren wäre, der ist, das muß einmal gesagt werden, selber schuld.

Wer in diversen Parteigruppie- rungen oder durch Bürgerinitiati- ven Schlimmstes verhüten will, hat nicht erkannt, daß es dieses Schlimmste ja gar nicht gibt.

Glücklicherweise haben wir je- doch genug Sachverständige, Poli- tiker und Firmenbosse, die diesbe- züglich die Übersicht nicht verlo- ren haben („Übersicht" kommt von „übersehen" und hat mit „Über- blick" nichts zu tun, unqualifizier- te Anm. d. Autors). Diese erreicht man, was zugegebenermaßen dem normal Sterblichen vorenthalten bleibt, indem man etwa bei der morgendlichen, chauffeurgetriebe- nen Fahrt ins Büro die neueste Zeitung liest. Dabei empfiehlt es sich natürlich, die jeweilige Blatt- linie zu beachten und nicht das eigene Gesichtsfeld störende Po- stillen vors Auge zu bekommen. Sollte die Fahrt durch sogenanntes Grünland führen, hat die Journal- Lektüre den Zusatznutzen, dahin- sterbende Baumgruppen und Wind- schutzgürtel sowie da und dort errichtete Greuelbauten unbemerkt lassen zu können. Nur so sind tags- über klare Entscheidungen und vor allem Ablehnungen grünorientier- ter Aktivisten erfolgreich durchzu- führen.

Auch ist im persönlichen Um- gang, was für jedermann gilt, dar- auf zu achten, naturschutzunter- wanderte Mentalitäten zu meiden. Schlechtes Milieu hat schon die reinsten Prinzipien zu Fall gebracht, und derlei ist zu verhindern. Abge- sehen aber von all den schädlichen Einflüssen, die durch offene Augen und Ohren wirksam werden könn- ten, ist der regelmäßige Genuß der täglichen Werbespots die verläß- lichste Methode, das allseits Heile unserer Welt zu erkennen und es sich einzuprägen. Daß gewisse unverrottbare Baustoffe so wie auch der Pfeifen- und Zigarettentabak reinste Natur sind, haben wir in unserem Gedächtnis längst einge- ordnet. Natur (aus dem Lateini- schen, erste Bedeutung „die Ge- burt") ist allgegenwärtig.

Im Lutschzuckerl, im Erfri- schungsgetränk, im Kaffee, in Damen- und Herrenslips, in Deo- dorants, Holzschutzmitteln, Auto- reifen, Instantsuppen, Hustentees. Die ockerfarben getönten Filmepen, in denen uns die händische Erzeu- gung von Bandnudeln in lichtdurch- fluteten Klostergewölben doku- mentiert wird, die von dampfenden Rössern gezogenen Bierkutschen, das alles und noch mehr ist von der unbestechlichen Kamera eingefan- gene Wirklichkeit, die es zu erken- nen gilt.

Mineralwässer werden aus Hun- derten Metern tiefen Berghöhlen zu uns emporgepumpt, kristallklar, frisch und natürlich natürlich. Und während wir den von der Biene eigenhändig naturverlesenen Berg- honig schlürfen und mit dem Chlo- rophyll der südsteirischen Gebirgs- tanne die Krähenfüße unter den Augen ent-falten, sehen wir mit Recht keinen Grund zu irgendeiner Panik (nach dem griechischen Waldgott Pan und sein überra- schendes Erscheinen benannte Massenangst. Eben.)

Wo, ihr Furchtsamen, ist in unse- rer Zeit ein Waldgott zu finden? Also. Die Welt ist in Ordnung.

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