6594447-1952_47_10.jpg
Digital In Arbeit

Macht der Wohlfahrtsstaat die Caritas überflüssig?

Werbung
Werbung
Werbung

Die Caritas ist eine kirchliche Institution; im weiteren und eigentlichen Sinn aber ist sie mehr. Sie ist das in die Tat umgesetzte Evangelium, die Liebe Gottes in den Menschen, sie ist das katholische Leben. Die Caritas im tiefsten Sinne ist die Kirche selbst.

Im Urteil der breiteren Öffentlichkeit wird die Caritas oft verwechselt mit den gewissen Tee- und Suppenküchen der vornehmen Leute, die sich selbst alles gönnen und auf kein Vergnügen verzichten, und die sich gelegentlich zusammentun, wenn die Not sehr groß ist, um etwa auf dem Umweg einer hübschen Veranstaltung etwas bereitzustellen, dann aber auch gehörig gefeiert und mit kirchlichen Orden dekoriert werden wollen. Das aber ist nicht die Caritas Christi, die sich verantwortlich weiß für die Not des Nächsten und die Christus dient im Nächsten; die weiß, daß es um Rettung oder Verdammnis geht. Eine Einstellung, die sich darin äußert, daß es schon ideal ist, wenn man überhaupt etwas tut, wenn es auch nur eine Kleinigkeit ist, genügt nicht. Christus sagt das Gegenteil, das Evangelium sagt das Gegenteil, die ganze Tradition der alten Kirche sagt das Gegenteil. Zeitbedingte Irrtümer, Untertreibungen der Wahrheit sind überholt.

Die Caritas hat einen großen Bereich von Agenden übernommen, aber doch mit erstaunlichem Erfolg und mit niedrigen Kosten bewältigt. Es gibt Gebiete, auf denen sie fast ebensoviel leistet wie die öffentliche Fürsorge. Wir müssen einen Grundsatz festhalten: Dort, wo die Caritas die öffentliche Fürsorge in beträchtlicher Weise entlastet, hat sie einen moralischen Anspruch darauf, aus öffentlichen Mitteln des Staates, des Landes und der Gemeinden Subventionen zu erhalten. Jede Verweigerung ist ein Unrecht und eine Verletzung des Rechts der Steuerzahler.

Wir können beweisen, daß unsere Fürsorge mit allen Mängeln, die ihr anhaften, nicht besser und nicht schlechter ist als die öffentliche. Wir haben das Recht,

auch die Mittel der Steuergelder zur Verfügung gestellt zu bekommen, wie es in jedem demokratischen Land der Fall ist. Wir werden diesen Anspruch insbeson- ders auf dem Gebiet der Kindergärten geltend machen, vor allem, um eine bessere Besoldung der Kindergärtnerinnen zu sichern. Wir zahlen so schlecht, weil wir das Geld nicht haben. Schuld ist nicht die Kirche, sondern der Umstand, d ß man uns nicht subventioniert, daß man nicht gewillt ist, die Entlastung der mit viel höherem Kostenaufwand gehaltenen öffentlichen Kindergärten mit einer entsprechenden Subvention zu kompensieren.

Es könnte hier die Frage auftauchen, wie weit wir uns in einem Wohlfahrtsstaat befinden, in dem unsere eigene fürsorgerische Arbeit erdrosselt wird von der öffentlichen Fürsorge. Die Frage wird im Laufe der Zeit noch aktueller werden. Für die Caritas ergibt sich daraus folgende Konsequenz: Wenn ihr etwas von der öffentlichen Fürsorge gut abgenommen wird, kann sie es nur begrüßen. Ein Beispiel ist die Einführung der Arbeitslosenunterstützung, die aus der Privatinitiative entstanden ist. Wir haben keinen Grund, darüber zu trauern, daß diese Arbeit der Staat übernommen hat. Es kommt nicht darauf an, wer das Gute tut, sondern d a ß es getan wird. Wäre auch einmal die materielle Not nicht mehr so groß, gibt es um so größeres seelisches Elend zu lindern. Wir dürfen überzeugt sein, daß in diesem Staat noch sehr viel Arbeit für die Caritas bleibt, sollten auch die materiellen Bedürfnisse gestillt sein.

Diese neuen Aufgaben müssen wir mit einer gewissen Großzügigkeit und Unerschrockenheit anfangen und dürfen uns auch nicht abschrecken lassen, das zu tun, was nicht populär ist. Wir dürfen auch nicht vor Aufgaben und Zielen, die erstrebenswert sind, zurückscheuen, bloß weil irgendwelche andere Gruppen und Organisationen dasselbe Ziel auf ihre Fahnen geschrieben haben. Die Her-

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung