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Drei Bücher, ein neuer Verlag

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„Wir sind ein neuer Verlag. Wir machen gute Literatur sonst nichts.” Mit diesen Worten führt sich der Rhom- bus-Verlag ein. Vintila Ivanceanu und Heidi Dumreicher, längst bekannt in der literarischen Szenerie Österreichs, haben ihn gegründet. Unabhängigkeit ist ihre Parole, Unabhängigkeit auch und besonders vom literarischen Markt, von Konsum und Geschäft also.

. So kann es sich der Verlag leisten, auf zugkräftige, ins Geschäft gekommene Namen zu verzichten, dafür aber umso intensiver neue Talente aus Österreich zu fördern. Hoffentlich hält er es durch.

Nun liegen die ersten drei Publikationen vor, der Verlag muß also Farbe bekennen, was er als „gute Literatur und sonst nichts” bezeichnet. Darüber läßt sich immer streiten. Auf jeden Fall ist der Mut anzuerkennen und zu unterstützen. Liesl Ujväry, mit einem abgeschlossenen Studium in Literatur und Kunstgeschichte, nach Studienaufenthalten in Japan und Moskau heute freie Schriftstellerin in Wien, bringt in ihrem Band Texte, die man als Gedichte, Prosa und Aphorismen bezeichnen kann, welche eine vorgefundene und vorgegebene Welt in Frage stellen. „Ich meine damit jenen Stumpfsinn einer Welt des Ja oder Nein, des rechten Winkels, des Dezimalsystems, jene Welt der bekannten Ordnungen. Sehen wir zu, diesen im Denken vorgegebenen Bildern durch Einsicht in sie zu entkommen”, gesteht üjväry im Klappentext, kurz ausgedrückt: die Banalitäten, in denen es sich „sicher und gut” leben läßt, entlarvt sie eben dadurch, daß sie sie als Banalitäten montiert, so können sie zu Ausgangspunkten von Besinnung und Kritik werden.

Johann Miletits tut Ähnliches in seinem Bändchen „Die Stadt”. Gemeint ist Wien, in das es den Landbewohner verschlägt, von dessen Lebens- und Redegewohnheiten nocht nicht angesteckt. In freien Assoziationen, teils in Versen, teils in Prosa, läßt er den Ärger oder Schmerz über den Kulturverfall in die Zeilen fließen, wütend und sarkastisch, zornig und witzig, ohne dabei ideologische Klischees oder Moralin zu liefern. Einfach durch das Aneinanderreihen des ganzen Lebensplunders, der vielen Lebensinhalt ist, wird der Leser hellhörig dafür, wie weit er schon selbst in den Sog gekommen ist.

Das wohl stärkste Werk - wenn solch subjektive Wertungen erlaubt sind - ist Lev Detelas „Königsstatue”. Jugoslawe von Geburt, lebt er nach dem Studium von Slawistik und Kunstgeschichte heute in Wien. An die vierzig Kurzgeschichten faßt er unter der Bezeichnung „ein historischer Roman aus der Gegenwart” zu einer Einheit zusammen. Ein phantastischer Realismus voller poetischer Einbildungskraft! Marcuse schreibt in seinem jüngsten Essay „Die Permanenz der Kunst”.: „Als fiktive Welt des Scheines ist die Welt der Kunst qualitativ anders und wahrer als die gegebene Alltagswelt, in dieser Scheinwelt erscheinen die Dinge anders als das, was sie sind und sein könnten; es ist dann die gegebene Wirklichkeit, die Alltagswelt, die nun als unwahr erscheint.” Genau das ist es, was Detela mit seiner Poesie erreicht. Wohl an eine Märchenwelt erinnernd, flüchten sich seine Figuren nie dorthin, sondern sind mit Ironie und Humor gewürzte Provokationen für den Menschen, Leben und Welt qualitativ zu verändern und nicht bloß das Rad weiterzudrehen, wie das die Ideologien mit ihren bloßen Machtverschiebungen tun. „Das sind die Fallen der Geschichte die Linken schlagen die Rechten, die Rechten schlagen auf die Linken - doch der alte Henker bleibt.” Das ist nur „wirrer Totentanz im Rätsel des Lebens”. Das letzte Stück, „Das Testament des Königs”, zeigt dann etwas, was es „in der Geschichte nicht gibt”, was nur in der Fiktion der Dichtung existiert und doch, trotz seines utopisch fiktiven Daseins, aktuellere Brisanz besitzt als die in Daten zu fassende Geschichte.

DIE KÖNIGSSTATUE, ein historischer Roman aus der Gegenwart, von Lev Detela. 73 Seiten, öS 122,-

DIE STADT von Johann Miletits, 53 Seiten, öS 118,-

SICHER UND GUT von Liesel Uj- väry, 126 Seiten, ös 160,-

Alle Bücher: Rhombus-Verlag, Wien 1977.

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