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Ein Abgrund des Grauens

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Schändung von Kindern -nunmehr amtlich geschätzt. Die Zahlen sind erschreckend. Nur: Darf sich eine Gesellschaft, die Permissivität kultiviert, guten Gewissens ereifern?

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Schändung von Kindern -nunmehr amtlich geschätzt. Die Zahlen sind erschreckend. Nur: Darf sich eine Gesellschaft, die Permissivität kultiviert, guten Gewissens ereifern?

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Seit 11. November 1986 ist es amtlich verlautbart, daß täglich 30 Kinder sexuell mißhandelt werden. Die Dunkelziffer beträgt ungefähr 10.000 vergewaltigte Kinder jährlich im Bundesgebiet. Ich habe in meinen Büchern immer über Liebe zu Kindern geschrieben, in meinem letzten Roman meinen Abscheu über Kin-

desmißhandlungen thematisiert. Selbst Vater von fünf Kindern, fühle ich mich gedrängt, nicht nur mein Entsetzen über solche unsägliche Versündigung auszudrücken, sondern auch über die Ursachen etwas zu sagen.

Die persönliche Nichtswürdigkeit der Täter — an deren Praktiken angesichts entsetzter Kinderaugen und zerrissener, zerbissener, kleiner, hilfloser Körper man länger als drei Sekunden gar nicht mit Fassung denken kann — ist offenkundig.

Aber über die gesellschaftlichen Kräfte sei hiemit einiges nachgetragen:

• Leider war die politische Anbiederung erfolgreich: Die gön-

nerhafte Auflösung der entwicklungsgeschichtlich bedeutsamsten Hemmungen und Bindungen bewirkten zwar kurzfristig Entlastungsräusche, Scheinfreiheiten für „Lustgewinn“. Sie endete aber in Auflösung der Zurechnungsfähigkeit, in weitverbreiteter Fehlorientierung, Vergeudung menschlicher Urteils- und Leistungskraft sowie in Unglück und Leid.

Die Gewinner dieser trickreichen Entmündigung durch Um-lenkung auf politisch ungefährliche Libertinage sitzen stolz an den Machthebeln — und treiben diesen Trick immer noch weiter.

• Daß die bedingungslose Freigabe der Leibesfruchtabtreibung nicht nur eine strafrechtliche Lockerung für Schwangere in Notlage (?) war, sondern eine weithin wirksame Zerstörung des Wertes eines Kindes, ist oft genug warnend und klagend vorhergesagt worden.

• Viele Zeitungen—besonders die auflagenstärksten — und die Werbebranche bedienen sich aus niedrigsten Beweggründen bedenkenlos jener Massenbeeinflussung, die durch das Anstacheln der Geschlechtlichkeit wirkt. Als ob eine gewissenhafte

Lebensführung nicht auch ohne ständige Verführung alle Charakterkraft beanspruchte!

So aber wird den Menschen die blödsinnige Fixierung auf Sexualität unablässig mit den raffiniertesten Mitteln eingetrommelt. Auch hier sitzen die Nutznießer händereibend im luxuriösen Hin-. tergrund. ^

Ich weiß: Jene, die keine Moral haben, zeihen die Warner der Doppelmoral. Dennoch ist jetzt der entsetzliche Preis offenkundig: 10.000 sexuell geschändete Kinder in diesem an Kindern ohnehin armen Land!

Alle kulturellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Skandale und Katastrophen sind nur Begleitumstände für diesen letzten Abgrund von Verkommenheit. Peter Turrini sagt und schreibt stets, daß das Unglück konkrete Namen und Adressen hat. Wie wahr!

Ich klage die unseligen Täter und die heimtückischen Verursacher dieses teuflischen, schaurigen, unsäglichen Kinderelends an! Und ich verbitte mir die scheinentrüsteten Schlagzeilen in Zeitungen, die tagtäglich dem Sexualitätsmißbrauch in krassester Weise Vorschub leisten.

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