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Ein „Baumeister“

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Er ist kein „lauter“ Politiker, eher ein bescheidener, zurückhaltender Mensch, der allerdings große Projekte entwickelt und realisiert hat: Dr. Vinzenz Kotzina, der erste Bautenminister der Zweiten Republik, heute einfacher Mandatar im Nationalrat, vollendete kürzlich sein 65. Lebensjahr.

Auch heute, gegen Ende einer beachtenswerten Berufslaufbahn, stellt er noch manche Weichen zum Guten: So gelang es ihm in der Debatte zum Staatshaushalt 1973, Abgeordnete der beiden anderen Parlamentsfraktionen für einen Entschließungsantrag zu gewinnen, der auf bessere Finanzierungsbedingungen für Umweltschutzmaßnahmen in Seengebieten abzielt. In einer sonst von Kampfabstimmungen charakterisierten Atmosphäre wurde dieser Antrag einstimmig angenommen ...

Das Bemühen um positiven Ausgleich hat sein Handeln immer bestimmt. Seine tiefe innere Abneigung gegen unversöhnliche politische Auseinandersetzungen stammt aus bitteren Erfahrungen, die der Schneidermeisterssohn aus dem nie-derösterreichischen Neunkirchen schon in früher Jugend sammeln mußte.

1966 übernahm Kotzina im Kabinett Klaus II die Leitung des neu gegründeten Bautenministeriums. In einer ersten Bürobesprechung stellte er wenige Tage später die Weichen für die Arbeit der kommenden Jahre: „Ab sofort werden wir uns sehr konzentriert mit Ordnungsproblemen unseres Bereiches befassen“, sagte damals der neue Minister. „Es gilt, das Baugeschehen des Bundes effizienter und dynamischer zu gestalten, ein neues Konzept für den Bau von Autobahnen und Bundesstraßen zu entwickeln und das Wohnungswesen nach einheitlichen Grundsätzen zu reformieren. Dazu brauchen wir die Mitwirkung der Wissenschaft.“

Auf einer Kette wissenschaftlicher Untersuchungen, die sich vorausschauend auf die Entwicklung bis zum Jahr 2000 erstreckten, beruhte die Neubewertung des Bundesstraßennetzes. Das neue Bundesstraßennetz, dessen erster Entwurf noch im Jahre 1969 in Begutachtung ging, basiert auf diesen Erkenntnissen. Eine Straßenbauforschung mit entsprechend bedeutsamen Mitteln war ein wichtiges Resultat dieser Arbeiten.

Aber auch in der Praxis reiften, gestützt auf die ersten Resultate der Neubewertung des Straßennetzes, große Projekte heran: Die Brennerautobahn wurde vollendet und die anschließende Inntalautobahn durch eine Sonderfinanzierung um vier wichtige Jahre vorgezogen. Der zweite Brückenschlag über die Alpen, die Tauernautobahn, mit dem Schlüsselbauwerk der Scheitelstrecke wurde begonnen, und die Pyhrn-autobahn, als dritte europäische Nord-Süd-Route, in Plamung genommen. Der große Brückenschlag über die Donau, mit Übergängen bei Linz, Melk, Krems, Wien und Hainburg, erforderte eine Milliarde Schilling. Auch dieses Ziel, die zweite Barriere neben den Alpen — die Donau — in einer einzigen großen Bauanstrengung zu überwinden, wurde erreicht. Eine der sicherlich bedeutsamsten Leistungen war aber die Reform des Wohnungswesens, die sich nicht nur auf den Wohnungsneubau, sondern auch auf die Lösung des bisher vernachlässigten Altwohnungsbestandes konzentrierte. Die Zersplitterung der öffentlichen Förderung wurde mit dem Wohnbauförderungsgesetz 1968, das dem Wohnungseigentum die von den Wohnungsuchenden gewünschte Priorität einräumte, beseitigt. Mit dem Wohnungsverbesserungsgesetz wurde ein Instrument geschaffen, die Altwohnungen an den modernen Wohnkomfort heranzuführen.

Dieser Zeitung ist Vinzenz Kotzina in Freundschaft verbunden. Deshalb — doch nicht nur deshalb — wünschen wir ihm für weitere Jahre Gesundheit und Schaffenskraft!

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