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Ein Dichter- Tod ist TU betrauern

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Er war kein Menschenfeind wie bei Moliėre, dessen Flucht in die Wüste im Finale noch immer offenbleibt. Er war ein Menschenfeind total, er hat sich selbst in die Wüste begeben, weil dies seine Krankheit war. Woran er gestorben ist, das ist unerheblich.

Ihm geschah viel Unrecht. Er hielt eine Rede im Unterrichtsministerium, und wer sie las, mußte sie extrem, doch durchaus erlaubt finden; doch der Hausherr verließ protestierend den Saal. Er kritisierte, gleichfalls extrem, Bundeskanzler Bruno Kreisky, daraufhin wurde verfügt, daß er nicht im ORF gefeiert werden durfte. Beides war als Reaktion auf einen bedeutenden Dichter und auf freie Meinungsäußerungen höchst unpassend.

Beides muß ihn gekränkt haben. Er war vermutlich sensibel; er hatte vermutlich ein größeres Quantum an Unsicherheit seiner Umwelt gegenüber als der literarische Durchschnitt.

Welcher Dichter freut sich nicht, wenn er geehrt werden soll? Das haben sie ihm verpatzt, und das tat weh und machte aus einem akuten einen chronischen Menschenfeind. Mir tun Menschen, die ich achte, immer leid, wenn ich mir vorstellen muß, daß sie sich kränken. Ich habe einen Aufsatz über Thomas Bernhard geschrieben, um dies auszudrük- ken.

Ich kannte ihn kaum. Ich bewunderte seine Prosa und hatte kein inneres Ohr für seine Stük- ke. A ber ich sah in ihm ein Glied in der Kette der österreichischen Patrioten, die züchtigten, wo sie liebten, Karl Kraus (,Jch habe mich mein Leben lang geschämt, ein Österreicher zu sein“),Franz Grillparzer (,fliehen will ich dieses Land der Erbärmlichkeit, wo Vernunft ein Verbrechen ist“), Helmut Qualtinger — sie alle bewahrheiteten das Wort Oscar Wildes: .Jeder mordet, was er liebt.“

Sein Gekränktsein über kompensierte alles. Rücksicht wur de ihm fremd. Er bewahrte sich einen Rest von Dankbarkeit gegenüber dem Verleger Wolfgang Schäffler, der in rührender, beispielloser Manier seine finanziellen Verhältnisse überwachte. Er lebte einsam, er arbeitete rastlos, er schlug um sich, in Prosa und Drama, und scheute die Einbeziehung lebender Zeitgenossen in seine Werke nicht. Er wurde zum Thersites, über den man aber nicht lachen konnte.

Nun ist wieder ein österreichischer* Dichter-Tod zu betrauern, so bald nach Erich Fried, der auch ein genialischer A bwerter war, und ein Österreicher gegen Österreich. Man stirbt zu jung heute, als österreichischer Autor: Bernhard, Fried, Friedl, Mauthe, Eisenreich, Qualtinger, Fritsch, Haushofer, Zand, Kräftner, Laaber, Buchebner, Bayer - bis hinauf zu Horvath.

Nun ruht er in Grinzing bei Gustav Mahler, Heimito von Doderer. Und selten hatte für mich der alte Gebetsspruch ,JIerr, gib ihm die ewige Ruhe“ solch eindringliche Bedeutung. Ewige Ruhe - er braucht sie, denn er hatte so wenig.

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