7027558-1989_17_08.jpg
Digital In Arbeit

Ein Großer der Kleinkunst

Werbung
Werbung
Werbung

Im achten Wiener Gemeindebezirk hat die rührige Bezirks-vorstehung an einem seiner Wohnhäuser kürzlich eine Gedenktafel enthüllt. Er hätte sich sehr darüber gefreut, denn der Akt fand auf der Straße, inmitten der Bevölkerung statt, und das offizielle Wien war durch die Frau Vizebürgermeister und die Frau Kulturstadtrat vertreten.

Jura Soyfer war ein großer Autor und mußte früh sterben. Wie das „Zu spät“ des Franz GriUj>ar-

zer zieht sich ein gnadenloses „Zu früh“ durch die österreichische Geistesgeschichte: eben erst das sinnlos vorzeitige Ende des Thomas Bernhard, letztes Glied einer Kette, die von Hans Chlumberg, Hans Kaltneker, Odön von Horväth zu Hertha Kräftner, Paul Celan, Ingeborg Bachmann immer weiter hinein in unsere tragische Literaturgeschichte führt.

Er ist der einzige aus unserer „Kleinkunst“-Zeit, nach dem in Wien eine Straße heißt, die ich einmal durch Zufall kennenge lernt habe. Ein Theater in Wien trägt seinen Namen, ein kleines Theater, ambitioniert und widerruflich wie jedes seiner Art.

Sein Werk ist bewahrt, in drei Bänden ediert. Er hat großes Glück, wenn diese Redensart gestattet ist, er hat einen Herausgeber, nein: ein Herausgeber hat ihn gefunden, ein Nachgeborener, der ihn nicht kennenlernen konnte, der als Wiener eine germanistische Lehrkanzel an einer nordamerikanischen Universität innehat, der sich der Forschung und der Edition eines Vergessenen in Treue und unglaublicher Akribie annahm, der dann auch eine große Biographie edierte (Jura Soyfer, Leben, Werk, Zeit. Locker Verlag, Wien).

Das ist eine zu wenig gewürdigte österreichische Tugend, die des Herausgebers, des Testamentsvollstreckers: Ludwig von Kochel (Mozart), Otto Erich Deutsch

(Schubert), Otto Rommel (Nestroy), Heinrich Fischer (Karl Kraus), Traugott Krischke (ödön von Horväth).

Welch ein Leben — welch eine Lebensbeschreibung. Horst Jarka, ein junger Österreicher, der an der Abteilung „Foreign Languages“ einer Universität im Norden der USA deutsche, vor allem österreichische Literatur lehrt, der politisch und kulturpolitisch wach und informiert ist — den sie längst an eine unserer Hohen Schulen holen sollten, denn wir haben hier wenige seinesgleichen - Horst Jarka holt sich den Jura Soyfer, dokumentiert sein Werk und sein Leben.

Das ist gar nicht leicht, wie wir wissen, denn die Familie konnte nach Amerika entkommen, der Freundeskreis löste sich auf.“ Und das Material über die Auffühnm-gen in Wiener Kleinbühnen war nicht archiviert. Doch es gelang.

fast alles sicherzustellen, eine fast lückenlose Biographie zu dokumentieren, einen Teil der Originalmusik zu sichern. Und da ist nun ein erstaunliches Leben festgehalten für alle Zukunft, ein österreichischer Büchner, wie Helmut Qualtinger ihn genannt hat, ein legitimer Nachfahre Johann Nestroys, ein Dichter, dessen Muttersprache bis zur Flucht aus der Sowjetunion mit acht Jahren Russisch war, der nur sie-benimdzwanzig Jahre alt werden durfte, der die deutsche und die wienerische Sprache perfekt mei-, Sterte, der trotz seiner hastigen Alltagsarbeit immerhin mindestens zwei dramatisch haltbare Werke und das Fragment eines wichtigen Zeitromans hinterlassen hat.

Beim Wiederlesen dieses Buches steigert sich die Liebe zu seinem CSegenstand und die Bewunderung für seinen Verfasser.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung