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Ein Hoch dem einfachen Mann!

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Wieder einmal war der eingeschriebene Brief vom Militärkommando bei mir eingelangt: zwei Wochen Truppenübung, vom 12. bis zum 24. November. Obwohl ich Reserveoffizier bin und eine grundsätzlich positive

Einstellung zur Landesverteidigung habe, war ich von der „Einladung“ nicht begeistert. Und ebenso wie mir dürfte es dem Gros der Wehrpflichtigen gehen. Man sieht zwar grundsätzlich die Notwendigkeit der

Landesverteidigung ein, aber wenn die Einberufung bevorsteht, dann folgt die Mehrzahl ohne Begeisterung, mit viel Skepsis und wachem Sinn für Kritik.

Diese Grundstimmung herrschte auch unter den einrückenden Manö- verteilnehmefn unserer Kompanie. Was sind das für Leute, die da einrük- ken? Ein bunt zusammengewürfelter Haufen, Menschen aus allen Bevöl-

kerungsschichten, der unterschiedlichsten Bildung, Handwerker, Landwirte, Beamte, Arbeiter, Akademiker usw. Und das Überra-

sehende ist: Sie wachsen zu einer Gemeinschaft zusammen, in der sich, mit einigen Ausnahmen, die meisten recht wohl fühlen, weil sie Kamerad-’ schäft erleben.

Nun, was waren also meine Erfahrungen mit dem sogenannten „kleinen“ Mann während dieser Manöver? In den Tageszeitungen ist ja viel über die Begeisterung, die die Manöverteilnehmer gehabt haben sollen, ge-

schrieben worden. Soweit ich dies von meiner Warte aus beurteilen kann, war es nicht Begeisterung, die uns bewegt hat, sondern der Wille, unter den gegebenen Bedingungen uns sinnvoll einzusetzen. Und diesbezüglich kann man der überwiegenden Mehrzahl der Teilnehmer an der Übung des heurigen Jahres gar nicht genug Anerkennung aussprechen. Denn nicht nur von den äußerst schwierigen Wetterbedingungen, sondern auch von zahllosen organisatorischen und sonstigen Mängeln her wurde diese Grundstimmung stark auf die Probe gestellt.

Ein Beispiel unter vielen: Zwei Tage hindurch hatte unser Zug Stellungen gebaut: zwei Mann Deckungen wurden - nach vorheriger Absprache mit allen Vorgesetzten - auf eine Tiefe von mehr als 1,5 Metern ausgehoben, sie wurden mit Deckeln,

die als Regenschutz dienen, versehen und innen teilweise mit sehr viel Phantasie und Geschick so eingerichtet, daß man auch längere Zeit darin verbringen könnte. Knapp vor Fertigstellung kommt ein Oberst aus dem

Landesverteidigungsministerium besichtigen. Statt die Leute wegen ihrer Bemühungen zu loben, ärgert er sich darüber, daß die vorgeschriebenen Maße nicht durchgehend eingehalten worden wären, stellt fest, daß die Lage der

Stellungen taktisch falsch sei. Die Folge: neue Stellungen müssen ausgehoben werden. Wieviel böses Blut ein solcher Auftritt macht, kann sich jedermann leicht vorstellen. Das Ereignis hatte aber auch einen positiven Ne-

beneffekt: Alle im Zug, die nicht von der Anweisung betroffen waren, halfen ihren Kameraden beim Ausheben der neuen Deckungen. Die gegenseitige Hilfestellung stärkte das Zusammengehörigkeitsgefühl.

Wie weit die Einsatzbereitschaft des heute so oft verschrienen jungen Menschen geht, habe ich besonders während dieser Manöver erlebt. Man muß sich folgendes vorstellen: Unsere Leute sind am Sonntag von Mit-

ternacht bis Montag 1 Uhr nachmittags in ihren Erdlöchern gehockt. Das Wetter war verheerend: Schnee, Regen, Kälte, Wind, Dreck. Die mangelnde Möglichkeit, sich zu bewegen, führte dazu, daß jeder bald nicht nur eisige

Füße hatte, sondern auch am ganzen Körper jämmerlich fror. Und dazu noch die Nässe! Da haben viele enorme Leistungen der Selbstüberwindung vollbracht.

Und gerade weil diese Einsatzbereitschaft vorhanden ist, könnten wir für die Landesverteidigung Hoffnung haben, wenn nicht so viele Mängel rundherum aufträten. Wie ist es möglich, daß, so wie bei unserer Kompanie,

bei zwölf Maschinengewehren nur fünf mit Knallpatronen schießen konnten? Muß sich der einfache Soldat nicht gefoppt vorkommen, wenn für seine Waffe kein Geld vorhanden ist, anderseits aber riesige Beträge für die

Knallerei bei dem Panzerschaukampf vor der Ehrentribüne ausgegeben werden?

Ist es nicht extrem ärgerlich, wenn die Straßenmeisterei Ybbs nicht bereit ist, in einem derzeit von nur einer Person bewohnten Haus, das langfri-’ stig für den Abbruch bestimmt ist und das für unsere Bedürfnisse eine ideale Mannschaftsunterkunft abgegeben hätte, den Soldaten Unterkunft zu gewähren?

Ist es nicht möglich, durch bessere Planung und Intensivere Schulung des Kaders dafür zu sorgen, daß diese lähmenden Wartezeiten (meiner Schätzung nach 50% der Gesamtzeit) drastisch reduziert werden? Dieses ewige

Warten auf irgend etwas ist einfach nerventötend. Dann wird er außerdem noch anfälliger dafür, einen über den Durst zu trinken.

Mein Eindruck von dieser Übung war, daß die Soldaten viel mehr von den äußeren Bedingungen als sinnvoll von ihren Vorgesetzten gefordert worden sind. Die schlechten Wetterbedingungen haben eine Situation geschaffen, in der deutlich wurde, daß der einfache Soldat weit mehr zu leisten imstande und willens ist, als man ihm zugetraut hat. Es wäre an der Zeit, daß wir dieses Potential mehr nutzen, daß dieser Wunsch, etwas

Sinnvolles zu tun, nicht so oft durch mangelnde Organisation und Ausrüstung frustriert wird.

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