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Ein Jahr nach Vietnam

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Die Warner vor einer sowjetischen Beherrschung Angolas haben kein Gehör in Washington gefunden. Der Senat hat jegliche Hilfe an angolische Streitkräfte unterbunden, die Regierung damit desavouiert und ein Jahr nach Vietnam neuerdings Menschen ihrem zweifelhaften kommunistischen Schicksal überlassen, die an amerikanische Hilfe geglaubt haben.

Was das für das Prestige der USA in Afrika bedeutet, braucht kaum weiter entwickelt zu werden. Was es für die Glaubwürdigkeit der Regierung Ford-Kissinger bedeutet, liegt auch auf der Hand. Zweifellos haben die ehrsamen amerikanischen Gesetzgeber im Kopf gehabt: „So hat es auch in Vietnam begonnen, also lieber gleich jetzt Schluß machen, bevor womöglich noch Waffen und dann Instruktoren und dann... nach Angola geschickt werden müssen.“

Sie haben aber auch sicher im Kopf gehabt, durch die Abstimmung zugleich die außenpolitische Bewegungsfreiheit der Regierung Ford weiter einzuschränken. Viele Senatoren fühlten sich von der Entwicklung in Angola überrumpelt. Sie, die augenblicklich mit Energie- und Steuerproblemen belastet sind, erwachten plötzlich, um festzustellen, daß es ein Jahr nach Vietnam auch ein Angolaproblem gibt. Es wird übersehen, daß die Regierung einzelne Senatoren am laufenden gehalten hat, im wesentlichen jedoch die Angolaoperation „unter der Decke“ führen mußte. Man kann aber nicht mit demokratischen Beckmesserstreichen der sowjetisch-kubanischen Intervention begegnen.

Grotesk sind aber noch andere außenpolitisch-ideologische Verzerrungen: Gerade jene Kräfte der Demokraten, die die Angolaintervention erstickten, sind jene, die der Regierung Ford-Kissinger vorwerfen, sie sei in ihrem Umgang mit der Sowjetunion zu schlapp. Das sind auch die Kräfte, welche die Detente in Frage stellen und vielleicht mit Recht kritisieren, daß die Demokratien bei den Abrüstungsgesprächen den kürzeren ziehen und von der Sowjetunion ständig beschwindelt werden.

Man sieht jedoch, wie innenpolitisch diese Kritik ist, wenn beim ersten Versuch, den Sowjets irgendwo Paroli zu bieten, das Tuch in die Arena geworfen wird. Und wer auch immer befürchtet hatte, eine im Jahr 1976 gewählte Regierung unter einem Demokraten im Weißen Haus könnte plötzlich auf Kalten Krieg schalten, braucht seine Befürchtungen nicht weiter zu steigern. Sie würde froh sein, wenn ihr die Sowjets eine Fortsetzung der jetzigen Detentepolitik einräumten. Wer aber das Argument benützt, es sei noch immer vorteilhafter, am Beginn einer Krise auszusteigen, als später, wenn der Zug sich in Bewegung gesetzt hat, mag sich in Erinnerung rufen, daß eben nur Großmächte mit dem Zug fahren; die anderen gehen zu Fuß. . Innenpolitisch hat die Unterbindung der Angolahilfe durch den Kongreß Präsident Fords Position gegen die Herausforderung von rechts durch Gouverneur Reagan gestärkt. Außenpolitisch ist jedoch Kissinger weiter angeschlagen und die Detentepolitik noch fragwürdiger als zuvor. Denn Detente, wie Kissinger sie konzipiert hat, muß auf Stärke und Bereitschaft zu Widerstand beruhen, sonst wird sie zu einer Politik der Rückzüge und billigen Konzessionen.

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