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Es haben leider immer alle recht

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Natürlich habe ich immer recht. So viel ist klar. Unlängst erst bin ich, in einer stillen Stunde, dahintergekommen. Die anderen aber, und das ist das Erstaunliche, haben ebenfalls recht. Und ringsherum, jetzt ist's bereits abenteuerlich, ringsherum ist keiner, der unrecht hat.

Ich habe diese bemerkenswerte Erkenntnis, seit ich meine eigenen Erzählungen, wie ich sie beim Zusammensein mit anderen eben so loslasse, genauer beobachtet habe. Ich berichte meinem andächtig lauschenden Gegenüber etwa: „Ich gehe also hin und sage zu ihm -", das folgende ist austauschbar.

Dann aber geht's weiter: „Sagt der doch glatt -", wieder austauschbar, „worauf ich sage Also hören Sie so geht das wieder nicht, na steht doch der Kerl auf und sagt zu mir -", austauschbar. „Da habe ich aber -" austauschbar.

Mein Visavis nickt beifällig, schüttelt erschrocken den Kopf und ist empört und steht jedenfalls fest auf meiner Seite, wie denn auch anders.

Da aber kommt die Wende. Der, dem ich's erzählt habe, trifft den von mir als Kerl Apostrophierten, ja, er kennt auch ihn, und nun ereignet sich's.

Der Kerl referiert seinerseits über das Stattgefundene. Und zwar so: „Kommt der zu mir und sagt mir -", „worauf ich ihm natürlich klipp und klar zu verstehen gegeben habe -", „-na und was glauben Sie, was er darauf erwidert? So ginge das nicht! Na da bin ich aber aufgestanden und habe durchblicken lassen -", „- draufhin hat er grad noch sagen können -", Ende.

Ich hab's, man wird es mir verzeihen, in einer Gesellschaft mit Aug und Ohr belauscht. Und siehe - wiederum Nicken und Schütteln des Hauptes beim Angesprochenen, wiederum Erschrecken, Erstaunen und natürlich Zustimmung.

Ach ja, ich bin ein einsichtiger, aufgeschlossener Mensch und muß zugeben, daß ich dem Kerl, hätte er's mir so erzählt, ebenfalls beigepflichtet hätte.

Und so ist das eben. Es haben immer alle recht. Die Frage aus dieser Erfahrung ist nur, ob sie sich mit diesem Einblick gegenseitig die Schädel ein-hauen oder lieber in ein gemeinsames und möglichst langes Gelächter ausbrechen.

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