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Seit Michail Gorbatschows Reformideen vermuten viele einen regelrechten Gründungsboom an Joint Ventures. Bisherige Erfahrungen sprechen aber gegen solche Vorstellungen.

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Seit Michail Gorbatschows Reformideen vermuten viele einen regelrechten Gründungsboom an Joint Ventures. Bisherige Erfahrungen sprechen aber gegen solche Vorstellungen.

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Der Stolz in der Stimme von Botschafter Milan Kadnär war kaum zu überhören. Anfang Juni, so verkündete der tschechoslowakische KSZE-Vertreter jüngst bei einer Plenarsitzung im Wiener Konferenzzentrum, habe sich sein Land 2,5 Milliarden Schilling bei einem westlichen Bankenkonsortium unter der Führung der Cre-ditanstalt geborgt. Mit den besten Konditionen, die ein COMECON-Land von westlichen Kreditgebern erhalten könne. Dieses Geld brauche man für tiefgreifende Wirtschaftsreformer. Das zeige, schloß Kadnär, „wie ernst wir in der CSSR die Perestrojka nehmen”. Ende Juni, ließ der Botschafter noch verlauten, habe man Michail Gorbatschows Umgestaltungspläne in die Praxis umgesetzt und eines der größten Joint Ventures zwischen Ost und West abgeschlossen.

Der holländische Konzern Philips und der tschechoslowakische Elektronikkonzern Tesla werden zusammen mit einem Außenhandelsunternehmen der CSSR in Bratislava Videogeräte herstellen. Philips - mit 20 Prozent an dieser Aktiengesellschaft nach westlichem Muster beteiligt — wird dabei Ausstattung und Know-how liefern und die Arbeitskräfteausbildung übernehmen. Anfang 1988 wird produziert - 100.000 Stück anfangs, das Traumziel der drei Firmen ist 1991 ein Ausstoß von 500.000 Stück Videorecordern.

Erstaunlich ist dieses Geschäft tatsächlich, wenn auch nicht eine direkte Auswirkung der Reformideen aus Moskau. Seit einigen Jahren schon bestehen Kooperationsverträge zwischen Tesla und dem Wiener Ostbüro von Phüips. Dieser Vertrag ist sozusagen die Krönung der Zusammenarbeit.

Bemerkenswert ist eher die Tatsache, daß sich die Tschechoslowakei zusammen mit der DDR und der UdSSR bisher beharrlich gesträubt hat, kapitalistischen Ideen ihre Grenzen zu öffnen.

Dabei sind diese Sonderformen der Beteiligung und Zusammenarbeit in Form von Joint Ventures längst ein globaler Trend in den internationalen Beziehungen und haben auch vor den COMECON-Ländern nicht haltgemacht. Jugoslawien setzt schon seit den sechziger Jahren auf westliches Know-how; Rumänien folgte ebenso wie Bulgarien, Ungarn und Polen.

Die bisherigen Erfahrungen sind unterschiedlich. Mit Rumänien beispielsweise machten die westlichen Partner — darunter auch Österreich — eher negative Erfahrungen. Für das Land waren Joint Ventures lediglich Enklaven, ein Fremdkörper in Ceauses-cus krisengeschütteltem Balkanstaat (FURCHE 28/87).

In Ungarn dagegen funktionieren solche Unternehmen recht gut. Das Teamwork mit kapitalistischen Vorzeichen hat sich in die ungarische Wirtschaft fast nahtlos eingefügt. Möglich ist so etwas, so zeigt die Erfahrung, aber nur bei kleineren Projekten. So beschränken sich die Kooperationen auch in Ungarn auf Pläne wie gemeinsame Bier- oder Dachziegelerzeugung, Casinos oder Reisebüros.

Welche Formen und Ausmaße daher die neuen Joint Ventures annehmen werden, ist ungewiß und wird derzeit heftigst im Korb II der Wiener KSZE diskutiert. Die Wünsche, aber vor allem die Differenzen sind teilweise fast unüberbrückbar.

Die westlichen Teilnehmerstaaten pochen auf mehr Durchlässigkeit von Informationen, wollen über Mehrheits- und Machtverhältnisse der östlichen Partner ebenso Bescheid wissen wie über die Preisgestaltung des jeweiligen Landes. Ungeklärt ist auch die Frage, wie Dumpingpreise verhindert werden können, da die Ostblockstaaten durchwegs noch billiger produzieren und auch alles daransetzen würden, Devisenbringer aufzubauen. Die westlichen Partner sind wiederum eher interessiert, einen Fuß in den riesigen COMECON-Markt zu setzen und weniger an Wiederverkäufen in westliche Länder.

Der Ostblock hat dagegen berechtigte Bedenken, daß die multinationalen Konzerne — und darum wird es sich in Zukunft verstärkt handeln — nicht plötzlich ihre Zelte abbrechen, wenn ihr Partnerland aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht mehr attraktiv ist.

Eine Einigung wird daher noch länger auf sich warten lassen. Wohl auch deshalb, wie Gerhard Velöovsky, österreichischer Delegierter bei der KSZE, vermutet, weü sich viele Voraussetzungen für große, erfolgreiche Joint Ventures nur verwirklichen lassen, wenn der Ostblock sein ganzes politisches System umkrempelt. Und das ist eher unwahrscheinlich. Dementsprechend wird es auch keinen Gründungsboom geben, macht Jan Stankowsky, Ostexperte im Wirtschaftsforschungsinstitut, einen Blick in die Zukunft. Joint Ventures werden im Ost-West-Handel wohl, meint er, ihre marginale Bedeutung beibehalten.

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