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Frankreichs Schuler

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Georg Merkels Malerei, sein ganzes Verhältnis zur Kunst, ist wesentlich durch Frankreich bestimmt worden. 1881 im gleichen Jahr wie Picasso, sogar viereinhalb Monate früher, geboren, wuchs Merkel in Lemberg auf. Er studierte mit besonderem Erfolg an der Akademie der bildenden Künste in Krakau und ging 1906, dem Jahr, in dem Picasso seine „Demoiselles d'Avignon“ begann, zum ersten Mal nach Paris. Dieser erste kurze Aufenthalt wurde für ihn so entscheidend daß er 1909 nach seiner Heirat und einem Aufenthalt in Wien nach Paris übersiedelte, wo er bis 1914 verblieb. Den Ersten Weltkrieg erlebte Merkel im Fronteinsatz als Kriegsmaler und wurde 1917 wegen schwerer Erkrankung aus dem Kriegsdienst entlassen. Er blieb dann in Wien, wo er als Mitglied des Hagenbundes — dem er bereits 1907 beigetreten war — eine rege Ausstellungstätigkeit entfaltete und bald zu den bekanntesten Malern zählte. Die. Besetzung Österreichs im Jahre 1938 zwang ihn zur erneuten Emigration nach Frankreich, wo er 1940 durch die deutsche Okkupation überrascht und interniert wurde. Nach seiner Entlassung aus dem Camp de Vernet lebte er bis 1948 in Montauban nördlich von Toulouse und 1948 bis 1951 in Cagnes sur Mer. 1951 wurde ihm vom französischen Staat ein Atelier in Plessis-Robinson bei Paris zur Verfügung gestellt, wo er bis zu seiner endgültigen Rückkehr nach Wien im Jahre 1972 — die durch eine schwere Erkrankung seiner Frau veranlaßt wurde — lebte und arbeitete. Merkel, dessen Werk lange Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in Österreich so gut wie unbekannt war, hat Österreich 1937 auf der Pariser Weltausstellung zusammen mit anderen Malern vertreten, und seine Arbeiten sind in den bedeutendsten Museen und Sammlungen Frankreichs und Österreichs zu finden.

Die schöne und umfassende Ausstellung im Künstlerhaus bestärkt und vertieft den Eindruck, den man vor fünf Jahren im französischen Saal erhielt. Merkel ist ein Maler, dessen Verhältnis von seiner Liebe zu den Malern des klassischen Maßes Frankreichs bestimmt wird: zu Poussin, Chardin, Corot, Manet und Puvis de Chavanne und Renoir. Seine Malerei hat aber eine durchaus personelle Ausformung ' gefunden, die eine sehr melodiöse Farbgebung mit großen klaren statischen Formen verbindet und auch im Format das Maß nicht überschreitet. In Merkels Bildern geht es nie laut zu, seine Figuren agieren stets in wohl ausgewogenen Kompositionen wie zu gedämpftem Saitenspiel, zu flächig prägnanten Formen vereinfacht, die durch die Qualität der Farbgebung, einer in Schichten aufbauenden Malerei, die Eigenschaften der „bonne peinture“, ihr musikalisches und vibrierendes Leben erhalten. Es sind sehr verhaltene lyrische Pastelle, Zeichnungen und Bilder, die sich mit Recht auf ihre gro-ße Tradition berufen können, die Dolcezza und eine gewisse elegische Melancholie ausstrahlen. Merkels Welt, seine bukolischen, mythologischen und biblischen Szenen, seine Gaukler, Maler, Badenden und Mütter, seine Landschaften und Blumen, tragen den Widerschein eines entschwundenen Paradieses, sind Geschöpfe einer lauteren Gesinnung: verklärende Malerei.

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