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Gegengewicht zu oberflächlicher Sprechblasenkultur

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Christliches Bewußtsein, Gemeinschaftsverständnis und Weltoffenheit sind die Grundlagen des katholischen Publizisten in einer Zeit, in der Boulevard und Trivialität in der Medienlandschaft um sich greifen.

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Christliches Bewußtsein, Gemeinschaftsverständnis und Weltoffenheit sind die Grundlagen des katholischen Publizisten in einer Zeit, in der Boulevard und Trivialität in der Medienlandschaft um sich greifen.

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Die Herausforderung des katholischen Publizisten im Augenblick lautet: „Wie kann und muß heute eine katholische Presse menschengerecht, weltzugewandt und zukunftstauglich gestaltet werden?" benannte Styria Generaldirektor Hanns Sassmann diese Situation im Rahmen der Wachauer Journalistentage. Die Veranstaltung des Friedrich Funder Institutes und der Katholischen Medien Akademie, die vom 16. bis 18. April im Stift Dürnstein abgehalten wurde, befaßte sich mit grundlegenden Fragen der katholischen Publizistik im neuen Europa. In diesem Zusammenhang ergibt sich die grundsätzliche Forderung an den katholischen Publizisten, seine Aufgabe mit Verantwortung und Ethik zu erfüllen.

Heute werden Medien oft als Machtapparate empfunden, die zum Teil eine „oberflächliche Sprechblasenkultur, ja sogar oft Deformationen allgemeiner Humanwerte" vermitteln, wie es Sassmann formuliert. Das Überangebot an Informationen und Meinungen erzeuge einerseits regelrechte Ablehnungen und andererseits Abhängigkeiten der Medienempfänger, die das Verhältnis des Menschen zur Wirklichkeit verändern oder sogar stören. „Ein billiges, simples Entertainment und ein bloßes, hochgezüchtetes Jnfotainment' zeigen sich als Störfaktoren im Kommunikationsgeschehen", meint Sassmann.

Die Menschen von heute entwik-keln immer mehr Skepsis und Distanz gegenüber Institutionen: den etablierten Kirchen, aber auch der Partei- und Gesinnungspresse gegenüber. Außerdem fühlen sich inzwischen viele Leute eher einem Medium zugehörig als einer Partei. Diese Entwicklung auf den Bereich der Religion und der Kirche umgelegt, bedeutet, daß auch der Christ seinen Medienbedarf im institutionsfreien Raum abdeckt, befürchtet Sassmann.

Dazu kommt, daß eine Rückkehr zum Religiösen feststellbar ist. Allerdings ereigne sich weniger eine „Renaissance zum Glauben", sondern eine „Entkirchlichung der Religion". Religion sei ein konjunkturell gesichertes Medienthema, das allerdings „Hand in Hand mit der aktuellen Institutionsfeindlichkeit gegen die etablierten Kirchen" geht. Nur zu oft suchen Menschen bei Sekten oder einer „den Menschen aushöhlende Mystik" Zuflucht.

Die Vertrauensverweigerung gegenüber der Institution Kirche sei von ihren Wurzeln her zu ergründen und zu lösen, fordert Sassmann.

Somit steht die konfessionelle Presse nicht vor ihrem Ende, „sondern auf dem Priifstand der gegenwärtigen Verhältnisse, sie ist unverzichtbarer denn je". Entscheidend für Beachtung und Akzeptanz der katholischen Medien: sie müssen konkurrenzfähig sein. „Wenn wir weit umschauen, muß ich sagen, sie sind es nicht", erklärt Sassmann. Die Produkte, die man an den Kiosken findet, weisen Unzulänglichkeiten „hinsichtlich der Markt- und

Konkurrenzfähigkeit" auf. In traditioneller Weise gestaltet man sie in „Lady in Grey", wie eine ehrenwerte, wunderschöne, alte Dame in Grau". Auch das Layout müsse eine entschiedene Haltungsänderung hinsichtlich der Medien einnehmen.

Zudem sei bei katholischen Medien oft eine „Themenverengung" zu registrieren. Die große Breite des Lebens werde nicht beachtet. Man beschäftige sich zu sehr mit „den Schnallenschuhen der Bischöfe". Man personalisiert nur dann, wenn man gegen einen Bischof ist. Die katholischen Medien personalisieren nicht das politische, wirtschaftliche, kulturelle Geschehen.

Weiters sei es ihre Aufgabe, „entschieden zu verdeutlichen, daß Kirche mehr ist als Institution mit ihren Dogmen und sittlichen Vorschriften". Sassmann verweist auf das Verständnis des Zweiten Vatikanums: Kirche sei „eine einzige komplexe Wirklichkeit aus menschlichem und göttlichem Element". Kirche habe, wie Kardinal Joseph Ratzinger im Juni 1992 schrieb, in ihrer vertikalen Dimension Gemeinschaft mit Gott und, horizontal gesehen, Gemeinschaft mit den Menschen.

Um Vertrauen, Akzeptanz und Medienzugehörigkeit erwirken zu können, muß der katholische Publizist „nicht nur zu den Menschen, sondern auch mit den Menschen sprechen".

Daher dürfe die katholische Presse nicht ein Propagandainstrument der Kirche sein. Dann würde sie weder dem Wesen der Kirche, noch den Erwartungen des Lesers gerecht. Sie müsse vermitteln, daß die Kirche eine „casa di vetro", ein „Haus aus Glas" (Johannes Paul II.) ist, in das alle hineinschauen können. Doch wird das Glashaus nicht bis zur Lächerlichkeit des Streitverhaltens zertrümmert? „Von Streitkultur in der Kirche kann im Augenblick nicht die Rede sein", bemerkt Sassmann. Nicht, daß Christen „ringen und suchen", sondern wie sie streiten, „hat den Charakter der Lächerlichkeit und Peinlichkeit".

Fundament des Wirkens katholischer Publizisten müsse die Zugehörigkeit zur kirchlichen Gemeinschaft sein. Denn so wie es keine wirklich befreiende bindungslose Religiosität gibt, so kann der katholische Publizist keine bindungslose Freiheit für sich in Anspruch nehmen. „Seine Freiheit geht Hand in Hand mit der Liebe zur Kirche", definiert Sassmann. Dabei geht es um das „Korrelat von Medienfreiheit und Medienverantwortung".

In diesem Zusammenhang zitiert Sassmann den zweiten Korintherbrief (3,17): „Wo der Geist des Herrn ist, da ist die Freiheit." Christliche Freiheit und ein „gesundes, beziehungsschaffendes" Gemeinschaftsverständnis vermitteln dem katholischen Medienmacher „publizistisches Charisma", bilden einen Journalisten mit Verantwortung und Ethik.

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